die Funktion von  Auslagen in den Passagen und Kaufhäusern sowie die Schauveranstaltungen des 19. Jhdts. wie z.B. die Panoramen zu untersuchen. Die Präsentationsformen, die sich im 19. Jhd. mit der massenhaften Verbreitung von Produkten und Waren aller Art entwickelten, versuchen nämlich das X-Beliebige eines Massenproduktes, mithin den Verlust der Aura, dadurch zu kompensieren, dass sie es in einen neuen und außergewöhnlichen Kontext stellten, der eine Ware mit Besonderheiten ausstattete, die sie selbst gar nicht aufweist, damit sie unverwechselbar und begehrenswert erscheint. Diese Argumentation sanktionierte nicht nur das Ready-Made, sondern begründete auch seine überragende Wirkung im 20. Jahrhundert, welche die Aufmerksamkeit auf die Präsentation lenkte, durch die man einem ausgewählten Gegenstand Bedeutung zuwachsen ließ. Hier liegen auch die Gründe für die Wertschätzung, die im Laufe der kunsthistorischen Auseinandersetzungen etwa für Kurt Schwitters Merz-Bau und die internationale Surrealistenausstellung 1938 errungen werden konnte. Durch den Rahmen und den Kunstkontext, in den auch Fundstücke (objets trouvés) gefasst wurden, gelingt es, an sich banalen Gegenständen eine Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die an die Stelle des traditionellen - meist sakralen - Zusammenhangs tritt und zur Kontemplation aufruft. Auf diese Weise, also vormehmlich durch die Situierung in einem kunstspezifischen Zusammenhang, erlangt ein Fundstück bzw. ein beliebiger reproduzierter Gegenstand eine Aura, die zuvor nur heiligen Gegenständen und Kunstwerken zugebilligt wurden.8 
Josephine Meckseper treibt dieses Spiel mit der Auratisierung auf die Spitze, indem sie sogar die Physis der Schaustücke durch Abbildungen ersetzt, die sie auf Pappen oder Hartschaum-platten geklebt in Schaufenstern präsentiert, um mit den Erwartungen der Betrachter zu spielen, denen sie letzlich nur die Suggestion des Fetischcharakters von Waren bietet.

Bromma und Brückner schlagen einen anderen Weg ein. Sie übergehen den Fetischcharakter von dreidimensionalen Waren und loten die Aura von Gegenständen im Bezug auf ihr Katastrophepotential aus - ein Potential, das Waren gewinnen, wenn sie schlagartig knapp werden.

2. Aura und Katastrophen

In der Beachtung, die beide Künstler dem Abfall entgegen bringen, liegt auch ein Stück Reflexion über die Dialektik des Überschusses, dessen Umschlagen in Knappheit jederzeit möglich ist. Wenn nämlich ein Gegenstand in der kapitalistischen Wirtschaft Beachtung findet, muss er entweder durch eine hohe Nachfrage oder durch seine Seltenheit knapp sein. Eine Ware muss verlangt werden, um profitabel zu sein. Doch ist im Falle von Abfall weder Nachfrage noch Seltenheit gegeben. Das ändert sich schlagartig, wenn das Angebot ausbleibt, weil Produktionszyklen durch Mangel an Energie, Rohstoffen oder Störung der Transportwege unterbrochen werden. Letzteres kann sehr schnell durch Naturkatastrophen, Kriege, Epidemien oder Unfälle eintreten.

Als Benjamin von der 'Zertrümmerung der Aura' sprach, bezog er sich ja auf ein Gewaltverhältnis, das durch die Massenproduktion wirksam wurde.9  Die 'technische(n) Reproduzierbarkeit' von Kunstwerken ist eine der Folgen, die darüber hinaus viel tiefer in unsere Existenz eingreift als uns bewusst ist. Dieses Gewaltverhältnis wirkt unterbewusst weiter, weil wir unseren Überlebenstrieb zwar beruhigen oder unterdrücken aber trotz aller Sorglosigkeit nicht ganz abschalten können, denn die Erfahrungen von Verlust und Katastro-
Die 03. Ausstellung im Jahresprojekt HYBRID des EINSTELLUNGSRAUM e.V.
Vernissage
8 ebd., S. 113. Richtungsweisend an der Argumentation von Groys ist, dass er die Aura nicht mit der Reproduzierbarkeit von Kunstwerken verschwinden sieht, sondern darin ein neues Potential erkennt, das es den Kuenstlern anheimstellt, mit Massenware zu arbeiten und fuer diese durch Installationen neue Wirkungen zu schaffen, die dokumentarische Kunstwerke auratisch wirken laesst. Groys vertritt somit die Möglichkeiten der Reproduktion offensiv, während Juliane Rebentisch in Die Ästhetik der Installation (Frankfurt am Main 2003) eine 'auratische Kunst' als 'gar nicht wünschenswert' (S. 185) betrachtet. Sie widmet sich in einem Abschnitt explizit Groys und Benjamin, sitzt aber dem verbreiteten Irrtum auf, dass der Verlust der Aura durch die Massenproduktion herbeigeführt worden wäre. Letztere läutete vielmehr eine neue Phase der Auratisierung ein. Rebentisch konnte sich allerdings nicht auf den genannten Aufsatz von Groys beziehen, weil ihre Arbeit zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des d 11-Kataloges bereits geschrieben war.
9 Leider sagt Groys nicht, worin dieses Gewaltverhältnis liegt. Benjamin jedenfalls sieht seinen Anlass in der nachträglichen Verhüllung von Gegenständen aus der Massenproduktion, durch die Bürger die Dinge des alltäglichen Lebens kaschieren und ihnen den Anschein von Dauerhaftigkeit geben. In Hüllen und Futteralen werden die Gegenstände 'dem profanen Blick des Nichteigentümers entzogen, und insbesondere wird ihr Umriß auf bezeichnende Art verwischt.' Das Paris des Second Empire bei Baudelaire, in: W. Benjamin Ges. Schriften, Bd. I. 2,  S. 511-604, 549. Auf diese Maskierung des Charakters der Objekte muss er sich beziehen, wenn er von der 'Entschälung des Gegenstandes aus seiner Hülle' als Synonym für die 'Zertrümmerung der Aura' spricht.W. Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (erste Fassung, §4), in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd. I. 2,  §3, S. 431-469, 440.
Gefšrdert von der Behšrde für Kultur, Sport und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg 
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