phen wirken um so stärker fort, je mehr diese
verdrängt werden. Sie sind im Unterbewusstsein eingelagert
worden, so dass die überbordende Fülle von Waren die Befürchtungen
eines eklatanten Mangels eher
verstärkt als besänftigt. Historische Erfahrungen
bestätigen, dass ein Versiegen des Warenflusses oder das
Zusammenbrechen von Waren- und Nahrungs-mittelströmen
jederzeit möglich ist. Schon allein deshalb scheint es
auch nicht verwunderlich, dass wir Waren gegenüber ein
sakrales oder zumindest pseudo-sakrales Verhalten an den
Tag legen. Nichts anderes besagt die Herkunft des Begriffs
der Aura aus der Religion, der noch die Erinnerung an die
Überlebensreserven beinhaltet, die durch Tabus geschützt
werden mussten. In Zeiten des Mangels musste besonders das
Saatgetreide und die Tiere, die die Reproduktion
sicherten, vor jeglichem Verzehr geschützt werden, wenn
nicht die Zukunft einer Gemeinschaft zur Disposition
gestellt werden wollte. Vorratsspeicher befanden sich an
heiligen Orten bzw. mit ihnen identisch und unterstanden
dem verschärften Regime der jeweiligen Stammesfürsten oder
Könige. Waren die Reserven in archaischen Gesellschaften verborgen, so hat die Massenproduktion den Umgang mit Waren ausgeweitet und einen großen Teil mit deren Schaustellung verknüpft. Dies kommt der Wunschproduktion entgegen, und um nicht die Absicht der Händler zu unterlaufen, die Kauflust anzustacheln, wird es vermieden, Anlass fuer negative Gefuehle zu bieten - in einer Kunstausstellung ist es möglich, solange sie nicht propagandistischen oder kommerziellen Zwecken dienen muss. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass dabei in der Analogie mit Schaufensterauslagen auch Sehnsüchte geweckt und die Befriedigung von Wünschen in Aussicht gestellt werden, doch herrscht in einer Kunstausstellung generell keine Verkaufabsicht vor, wenngleich sie zum Profil einer Galerie gehört. Obwohl das rote Licht und erdige Aromen des Rindenmulchs, die der Installation von Bromma und Brückner entströmen, eine Behaglichkeit ausstrahlen und eine gewisse Heimeligkeit erzeugen, ist der Iglu nicht ausschließlich sympathisch besetzt. Die Installation lässt auch Erinnerungen an lebensbedrohliche Kälte und die blanke Notwendigkeit zum Überleben unter widrigen Bedingungen aufkommen, wenn etwa nach Erdbeben 'Hals über Kopf' improvisierte Notbehausungen das Bedürfnis nach Schutz vor |
Wetter
und Klimaeinflüssen befriedigen müssen, sind Baustoffe
aus dem Schutt der Zerstörung gesucht und werden
schlagartig kostbar. Das Gefühl der Romantik,
das noch durch Bilder von improvisiertem Camping
geweckt werden könnte, hat in dieser existenziellen
Zuspitzung sehr schnell ein Ende. Noch schlimmer kommt es,
wenn wie in Haiti nach dem Erdbeben 2010 die Regenzeit
einsetzt und die permanente Nässe, Schlamm, Feuchtigkeit
und Schimmel den Menschen zusetzen. Wenn der absolute Mangel am Notwendigsten dem Personal der Medien keine Wahl mehr lässt, schlägt die oberflächliche Faszination an der Improvisationskunst und die Hoffnung auf einen durch Hilfsgelder möglichen Neuanfang um. Die Maßlosigkeit des Elends bremst den Fluss der von den Medien gesammelten Bilder schnell. Und wenn die Katastrophenbilder keine Abnehmer mehr finden, ziehen die Reporterteams ab. Es ist nicht der Bequemlichkeit der Korrespondenten geschuldet, sondern der Tatsache, dass der Horror als bedrohlich empfunden wird und keine gute Folie für Werbung und Spendenaufrufe abgibt. Die Katastrophe verschwindet aus dem Bewusstsein der „Völkergemeinschaft“.10 3. Baustellen der Evolution Parallel zu der an menschliche Behausungen erinnernden Installation setzen sich beide Künstler auch mit Nestern auseinander. Brückner hat sie aus Fundstücken zusammengesetzt, die er im Folgenden auflistet: 'Plastiktannenzweig vom Oktoberfest, Plastikummantelungen zum Verlegen von unterirdischen Leitungen, im Wald gefundene Rindenstücke, Schaumgummiball von der Oktoberfestwiese (mein Such- und Fundgebiet), Bienennest, Bienenwachs, Pigment, Dekoartikel (die violetten Glitzerfäden), Sonnen-blumenkerne, Silikon, Scubabänder (bunte Plastikschnüre, Hobbyartikel für Kinder, die daraus unnütze Sachen flechten, war vor einigen Jahren in)'11. Beachtenswert wie die Komposition eines jeden einzelnen Nestes, ist auch die Platzierung der Nester meist über dem Augenpunkt im Hauptraum, den Durchgängen und im Keller des Einstellungsraums, wo sie so unauffällig angeordnet sind, dass sie sich wie wirkliche Nester von Tieren in die bestehende Matrix auch einer urbanen Umgebung einfügen. |
Die 03. Ausstellung im
Jahresprojekt HYBRID
des EINSTELLUNGSRAUM
e.V.
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Vernissage |
10 Von dem verheerenden Tsunami am 27.
Februar 2010, der nach einem Erdbeben der hohen Stärke
8,8 die Pazifikküste Chiles nördlich von Conceptión
verwüstete und 500 Menschen das Leben kostete, wurde nur
kurz oder gar nicht berichtet, weil keine Urlauber oder
Feriengebiete betroffen waren. Deshalb gab es mangels
Touristenhandys und -kameras auch kein die
Einschaltquoten steigerndes Footage und keine Welle der
Solidarität und Spendenbereitschaft. Wissenschaftler der
Uni Münster, die die Folgen untersuchten, übermittelten
eine Vorstellung dieser Naturgewalt: 'Der Tsunami, der
im Februar 2010 weite Küstenbereiche Zentralchiles
verwüstete, transportierte Gesteinsblöcke von
dreieinhalb Meter Kantenlänge und bis zu 20 Tonnen
Gewicht etwa 200 Meter weit ins Landesinnere.' http://www.echo-muenster.de/node/62390 |
11 E-mail von Brückner an den Autor |
Gefšrdert von der Behörde für Kultur, Sport und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg | |
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