dahin als Schutt und fanden als Baumaterial Verwendung. Diese Phasen der Geringschätzung des später hoch Geachteten werden gerne verschwiegen. Aktuell lässt sich eine derartige kulturelle Vereinnahmung des zuvor Verpönten in der Ausstellung "Pop Life" der Hamburger Kunsthalle beobachten. Dort bemerkt man, wie die Wurzeln der Pop Art im Schäbigen, Billigen und in der Ramschproduktion - "Junk-Art" - mit dem exorbitanten Wertzuwachs der Pop Art als Sammler- und Auktionskunst verzerrt und unterdrückt werden.3
Auch wenn die Künstler des Brit Pop erst in den 1990er an den rollenden Profitzug angehängt wurden, kann selbst kein Damien Hirst abstreiten, am Abfall zu partizipieren, wenn er z.B. komplette Kälber, deren Fleisch heute schwer verkäuflich ist, vom Abdecker bezieht und in Formaldehyd einlegen lässt. Er züchtet sie nicht selbst, stellt sie weder her noch bildet er sie ab, er benutzt lediglich die Fertigkeiten von Tierpräparatoren und das Know-how der Firmen, die ihm dafür große gläserne Tanks liefern bzw. das Geschick von Designern, die ansprechende Vitrinen bauen. In einer Welt, die an ihren Erzeugnissen zu ersticken droht, fasziniert das Zeigen des Existierenden schließlich stärker als das Erzeugen von etwas Neuem. Ungewohnt - nicht neu - ist der Zusammenhang. Das gilt ebenso für seine Auslage von Medikamenten, denen, ob Kapseln oder Tabletten, die Designer der Pharmaindustrie spezielle Formen und Farben gegeben haben. Sie sind massenhaft in Umlauf und ohne Original-verpackung mit Verfallsdatum eigentlich wertlos. Die summarische Präsentation einzelner Pillen, Tabletten und Kapseln macht die Vielfalt in ihrer Gesamtheit jedoch zu einer einmaligen und daher gefragten ästhetischen
Sensation.4
 1. Dokumentation und Abfall
Zu dieser Methode des Zeigens, die das Machen und das Schšpferische verdrängt, hat sich Boris Groys mehrfach geäußert.5 Er stellte diesbezüglich ein Überwiegen des Dokumen-tarischen fest, wobei er sich auf den oft zitierten Aufsatz von Walter Benjamin über "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" bezieht, und die darin erwähnte - oft übersehene - Verbindung zwischen traditionellen Kunstwerken und ihrer Ortsbezogenheit berücksichtigt, welche als ein die Aura konstituierender Umstand anzusehen ist. Aus diesem Grunde begrenzt - so ist die Argumentation - allein schon die fehlende Situierung von Reproduktionen, die Groys "Deterritorialisierung" nennt, deren Wirkung. Es ist die universelle Verfügbarkeit, die eine um sich greifende "Deterritorialisierung" nach sich zieht, und solange Reproduktionen in beliebigen Kontexten auftauchen, sind sie nicht länger unverwechselbar. Und genau dies ist der Mangel der Reproduktion, der heute durch die Installation - als eine Methode des Zeigens und zugleich der neuen Verortung ("Reterritorialisierung")6 - kompensiert wird.

An anderer Stelle behauptet Groys, dass sich die Größe von Künstlern nicht erweise, indem sie Neues herstellen, sondern diese auch zum Vorschein komme, wenn sie etwas Bestehendes imitieren bzw. es zur Erscheinung bringen7.  Auf diese Weise diskreditiert er nicht unbedingt das "Schöpferische", sondern rückt die Kunstinstallation in die Nähe der Phänomene der Warenwelt und der Ausstellungsgestaltung in Schaufenstern und auf Messen. Das entspricht dem Vorgehen von Benjamin, der sich  auf Baudelaire und die Figur des Flaneurs bezog, um
Die 03. Ausstellung im Jahresprojekt HYBRID des EINSTELLUNGSRAUM e.V.
3 Damit gilt, was Walter Benjamin über die Apologie mutmaßte, als er in ihr das Bestreben erkannte, "die revolutionären Momente des Geschichtsverlaufs zu überdecken." Zentralpark, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd. I. 2,  ¤3, S. 655-690, 658.
4 Es handelt sich hier um den Umschlag von Überfluss in Knappheit und um die nicht festlegbare Grenze zwischen Abfall und Nicht-Abfall. Michael Thompson: Rubbish Theory. The Creation and Destruction of Value; Oxford Univ. Press 1979, dt. Theorie des Abfalls. Über die Schaffung und Vernichtung von Werten, Stuttgart 1981, S. 28.
5 Boris  Groys: Kunst im Zeitalter der Biopolitik. Vom Kunstwerk zur Kunstdokumentation, in: documenta 11_Plattform 5: Ausstellung, Kassel 2002, 107-113; ders. in einer Serie von Aufsätzen über Fischli und Weiss, Simulierte Ready-Mades von Fischli und Weiss, in: ders.: Kunst-Kommentare, Wien 1997, 131 - 138 und Die Geschwindigkeit der Kunst, in: ebd.,
139 - 147.
6 Groys 2002, S. 113. Wenn Groys hier die "Reterritorialisierung" als Gegenmaßnahme zur "Deterritorialisierung" aufführt und sie der Kunstdokumentation zuweist, wählt er eine eher schwache aus, obwohl er durch seine Zusammenarbeit mit Ilya Kabakow um die Kraft der Installation weiß, die es ermöglicht hatte, auf nachhaltige Weise verworfene oder ausgesonderte Gegenstände in den Kunstkontext einzuschleusen.
7 Groys 1997, S. 131.
Vernissage
Gefödert von der Behörde für Kultur, Sport und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg 
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