einfachen Protozoen sowie die komplexeren Sinneszellen der Eukaryoten bis hin zu der Erkenntnisfähigkeit des Menschen dienen einer sinnlichen Erforschung der Umwelt und der Orientierung darin, um das eigene Überleben und die Homöostase, also das ideale organische Gleichgewicht, zu sichern.

Dieser Handlungsimpuls führte unter anderem den Frühmenschen homo erectus vor ungefähr 1 - 1,5 Mio. Jahren zur Beherrschung des Feuers, eine Fertigkeit, die den vielleicht wichtigsten Entwicklungsschritt in der Menschwerdung darstellt, denn sie gilt als der wirkmächtigste Faktor bei der weiteren Entwicklung von Gehirn und Bewusstsein.

Durch das Garen der Nahrung wird weitaus mehr Energie zugänglich gemacht, als rohe Nahrung sie bietet. Dadurch konnte sich das Größenwachstum des Gehirns mit seinem enorm hohen Energieverbrauch fortsetzen. Andererseits mussten die Frühmenschen nicht mehr, wie zuvor, bis zu 8 Stunden mit Sammeln, Jagen und Kauen der Nahrung verbringen, sondern etwa nur noch die Hälfte der Zeit, wodurch sich ungekannte Handlungsfreiräume öffneten.
Auch setzte die Dunkelheit dem menschlichen Tun kein natürliches Ende mehr. Anstatt zu schlafen, versammelten sich die Menschen nun abends am Feuer und entwickelten in einem noch nie dagewesenen Maße ihre kommunikativen Fähigkeiten und erste mündliche Traditionen: Sie tauschten Erfahrungen aus und es entstanden die ersten mythische Narrationen, um die Erscheinungen der Welt und die conditio humana zu erklären.

Dem homo sapiens gelang es rund 1 Mio. Jahre später, die fossilen Lagerstätten des gebundenen Kohlenstoffs, die die frühen Eukaryoten gebildet hatten, zu erschließen. Im Jungpaläolithikum, um 12.000 v. Chr. wurde nur das oberflächlich austretende Bitumen nachweislich als Mittel zum Abdichten von Booten genutzt. Aber schon in den frühen Hochkulturen Mesopotamiens ist es als Brennstoff für Lampen nachgewiesen. Mit Hilfe des Feuers brach der Mensch, wenn auch zunächst nur in sehr bescheidenem Umfang, aus dem nachhaltigen Kohlenstoffkreislauf der Biosphäre aus.


Während Steinkohle in China und Mitteleuropa schon seit dem 13. Jhd. in überschaubaren Kontingenten, ab dem 17. Jhd. dann in immer größerem Maße als Brennstoff abgebaut wurde, erlebte das Erdöl erst seit 1859 mit den Bohrungen von George Bissel und Edwin Drake in Pennsylvania seinen kometenhaften Aufstieg. Es löste in Form von Petroleum rasch den Walrat als Lampenöl ab. Mit der Entwicklung des Verbrennungsmotors wurde die Dynamik des Erdölhandels schließlich zu dem maßgeblichen Vektor von Weltwirtschaft und - politik.
Derselbe Urimpuls des Lebens, der im Erdaltertum zur Evolution und Vermehrung der Mirkoorganismen führte, ist derselbe wie der, der heute in uns wirkt und in der jüngeren Geschichte dazu geführt hat, dass wir den fossil gebundenen Kohlenstoff wieder freisetzen und damit die von den frühen Eukaryoten in hunderten von Millionen Jahren geschaffenen Lebensbedingungen wieder zerstören: Es ist dies der Impuls, die Wirklichkeit so umfassend wie möglich wahrzunehmen, um anschließend so auf sie einzuwirken, dass wir homöostatische Bedingungen für uns schaffen können, in denen wir uns so schmerzfrei und bequem wie möglich ernähren und vermehren können. Und dazu bedienen wir uns, nach wie vor, des mächtigsten Werkzeugs und des effektivsten kulturellen Katalysators, den sich der Mensch jemals nutzbar gemacht hat: des Feuers.

Paradoxerweise liegt aber gerade in diesem Impuls, der uns in die gegenwärtige Krise geführt hat, auch die einzige Möglichkeit, dem kollektiven Selbst- und Massenmord, den der anthro-pogene Klimawandel bewirkt, Einhalt zu gebieten. Denn mit der Evolution der Erkenntnis-fähigkeit und Selbsterkenntnis des Menschen ist ihm auch die Fähigkeit zu eigen geworden, in seiner Innenwelt ein Modell der Innenwelt anderer Menschen und Wesen zu schaffen: Spiegelneuronen ermöglichen uns, die Empfindungen und Emotionen anderer Menschen nachzuvollziehen und darauf empathisch zu reagieren, so wie uns die entwicklungspsycho-logisch übergeordnete „Theory of Mind“ ermöglicht, uns in die Gedankenwelt und auf den Erkenntnisstand anderer zu versetzen.

Und schließlich hat der Mensch, dem genannten Impuls folgend, die Evolution seiner Sinne selbst in die Hand genommen und sie um die Prothese der digitalen Netzwerke erweitert, die ihm nun ermöglichen, mit Menschen auf der ganzen Welt in Verbindung zu treten und Vorgänge auf der ganzen Welt zu verfolgen. Er hat begonnen, als jüngsten Schritt in seiner Evolution ein globales Bewusstsein auszubilden, das ihm ermöglicht, durch empathisches und vernunft-geleitetes Handeln so zu agieren, dass nicht nur eine kurzfristige, individuelle Homöostase erreicht wird, sondern auch eine globale und nachhaltige Homöostase angestrebt werden kann, von der schließlich auch sein individuelles Wohlergehen und Überleben abhängt.

Wenn wir also nicht auf einer bereits überkommenen Entwicklungsstufe verharren wollen, bietet uns die stetig voranschreitende Evolution der Sinne, unser sich weitendes Bewusstsein für die Außenwelt, die Möglichkeit, die zerstörerischen Aspekte unseres Handelns zu erkennen, zu antizipieren, zu korrigieren und die angerichteten Schäden wenigstens teilweise zu heilen.

Der 06.Beitrag zum Jahresprogramm SPRIT  und SPIRIT des EINSTELLUNGSRAUM e.V. 2020
Präsentation
Vernissage
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