Kohlenstoff, Flimmerhärchen und die Evolution der Sinne - Dr. Thomas Piesbergen zur Ausstellung „Rauschen“ von Monika Schröder
Die Ausstellung „Rauschen“ von Monika Schröder wird gezeigt im EINSTELLUNGSRAUM e.V., im Rahmen des Jahresprogramms SPRIT + SPIRIT, Hamburg, August 2020


Vor etwa 400 Millionen Jahren, nach der ordovizischen Eiszeit, als der C02-Gehalt der Erdatmosphäre noch etwa zehnmal so hoch war, und die Durchschnittstemperatur etwa 6 Grad mehr als heute betrug, erlebten die höheren Mikroorganismen in den Weltmeeren einen vorher nie da gewesenen Boom.

Bis zum Silur und frühen Devon waren es vor allem die Bakterienkolonien der Stromatolithen, die für die Bindung des Kohlenstoffs aus der Luft verantwortlich waren. Diese Funktion übernahmen nun komplexere ein- und mehrzellige Eukaryoten wie zunächst die Rugosa, später ab etwa 250 Mio. v.u.Z. die Korallen, und vor allem das Phyto- und Zooplankton, das sich in den oberen Wasserschichten in einem nie da gewesenem Ausmaß vermehrte und eine unüber-schaubare Zahl skurriler Erscheinungsformen hervorbrachte.

Starben diese Algen und Kleinstlebewesen ab, sanken sie zum sauerstoffarmen Grund der Ozeane und bildeten mächtige Schichten von Biomasse. Da sie sich dort aufgrund des Sauerstoffmangels nicht zersetzten, wandelten sie sich in kohlenstoffreichen Faulschlamm um, der unter weiteren Sedimentschichten begraben wurde. Unter dem entstehenden Druck wurde das organische Material immer mehr verdichtet und bildete schließlich langkettige Kohlenstoffverbindungen, die von organischen Lösungsmitteln nicht mehr zu lösen sind. Es ent- standen die sog. Kerogene.
Die ansteigende, durch den Druck entstandene Wärme trieb bei Temperaturen über 60°C zunächst das Methan aus. Bis etwa 120°C verflüssigten sich die Kerogene zu Erdöl, bei noch höheren Temperaturen wandelten sie sich in Erdgas um.

Während die Bakterien der frühesten Erdzeitalter zunächst eine Atmosphäre schufen, die komplexeres Leben überhaupt möglich machte, und dabei gigantische Massen von Kalk- und
Sedimentgestein aufschichteten, waren es die unvorstellbaren Massen des ein- und mehr- zelligen Planktons, die über Hundertmillionen von Jahren durch die Bindung von Kohlenstoff ein Klima schufen, das die Erde zu einem Lebensraum machte, der eine ungeheuere Vielfalt höheren Lebens hervorbrachte - nach neuesten Schätzungen gegenwärtig etwa 8,7 Millionen Arten, zu denen auch unsere Spezies, der homo sapiens gehört.

Betrachtet man die Evolution der Lebensformen, kann man sie auch als eine Evolution der Sinne begreifen.

Am Anfang standen wahrscheinlich einfache Photorezeptoren wie die Phytochrome, mit denen bereits Cyanobakterien, die sog. Blaualgen, ausgestattet sind. Durch die Fähigkeit Licht zu registrieren, waren erstmals aktive Reaktionen auf die Umwelt möglich, um die bestmöglichen Bedingungen für Ernährung und Vermehrung zu nutzen.
Vor etwa 1,8 Milliarden Jahren tauchten die ersten Eukaryoten auf, also Lebewesen, die einen regulären Zellkern und eine komplexe Struktur aufweisen. Sie waren erstmals mit Cilien ausgestattet, den sogenannten Flimmerhärchen oder Geißeln. Die Cilien ermöglichten einerseits eine Fortbewegung, andererseits konnten sie als Rezeptoren für Berührungen oder Gerüche dienen. Diese Erweiterung der Wahrnehmungsfähigkeit durch Ertasten und Wittern der Umwelt, war ein gewaltiger Entwicklungssprung, der die Operationsmöglichkeiten der frühen Eukaryoten maßgeblich erweiterte, und ihnen schließlich eine Vormachtstellung bei der Besiedlung der Meere sicherte, die im späten Devon und Karbon ihren Höhepunkt erreichte.

Zwar entwickelten sich auch die motorischen Möglichkeiten der immer komplexer werdenden Lebewesen, doch die Entwicklung der Sinne, zu denen sich schließlich, in Form spezialisierter Sinneszellen, auch der komplexere Gesichtssinn und die auditive Wahrnehmung gesellten, waren die entscheidenden Faktoren evolutionären Fortschritts. Je umfassender die Umwelt wahrgenommen wurde und je komplexer diese Informationen
verknüpft werden konnten, desto überlebensfähiger war der jeweilige Organismus.
Als das am weitesten entwickelte Sinnesorgan kann aus dieser Perspektive das Gehirn gelten, allen voran das menschliche Gehirn, das zu vielschichtigen Repräsentationen der Außenwelt sowie der Selbstwahrnehmung fähig ist und damit eine selbstreflexive Innenwelt geschaffen hat: ein Bewußtsein - einen umfassenden Realitätsinn.


An der Aufgabe der Sinne hat sich allerdings nichts geändert: sowohl die primitiven
Sinne der
Der 06.Beitrag zum Jahresprogramm SPRIT  und SPIRIT des EINSTELLUNGSRAUM e.V. 2020
Präsentation
Vernissage
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