Romantik, den Realismus und die Wandervogelbewegung erstreckt, die auch von Jurszo zitiert wird1.

Diese Gruppe, die sich im flachen, jedoch nicht ganz ebenen Land aufhält, das von Prielen durchzogen und mit Vegetationsinseln gefleckt ist, hat dezidiert nicht den Tanzboden gewählt, um zu feiern, sondern entzieht sich hinter dem Deich und außerhalb der Saison jeder Beobachtung. Die Jungen möchten ungestört von Zwängen und Auflagen einer Gesellschaft sein, die sich selbst gern zwanglos gibt, doch wer tatsächlich gerne mit wem feiern möchte, kann hier nicht erörtert werden. Jedenfalls korrespondiert diese Gruppe mit einer von Jurszo dargestellten Menschengruppe, die sich auf einem Maisstoppelacker aufhält, ohne dass ihr anzusehen wäre, was sie dort suchen. Ihr Herumstreifen trifft sich mit der Bewegung der jungen Leute im Watt  und betont die Bedeutung der Peripherie; denn das Watten- meer selbst ist per se und dazuhin in einem doppelten Sinn peripher. Es bildet ja eine Übergangszone zwischen Land und Meer, so dass es je nach Stärke der Gezeiten mal trocken fällt und 6 Stunden später überflutet wird. Es ist kein Strand und auch kein Ufer, es liegt dazwischen - ist ein inter- mediäres Feld. Überdies zeigt die warme Bekleidung der Protagonisten, dass sie sich außerhalb der Touristensaison in einer menschenleeren Ge- gend des Watts aufhalten, womit deutlich wird, dass Peripherie nicht nur eine räumliche Kategorie sein muss, sondern auch ein in zeitlicher Hinsicht nur vorübergehend bevölkertes Gebiet darstellt. Man könnte es auch eine zeitliche Peripherie oder eine Peripherie der Jahreszeiten nennen, die jen- seits der Touristensaison das Land zwischen Marsch und Nordsee erfasst, das trotz der meilenweiten freien Sicht zu einem der einsamsten Gebiete im dicht besiedelten Mitteleuropa gehört. Das Watt kann deshalb als ein Gebiet der Dissidenz gelten, das zu kleinen Fluchten einlädt.

III. Rationalisierte Malerei und vertikale Migration

In der Auseinandersetzung mit den Rändern reflektieren beide Künstler auch ihre eigene Rolle als Marginalisierte in einer Gesellschaft, deren 

Protagonisten um Anerkennung durch mehr Profit und Besitz ringen. Da diese Werte auch Produktion und Konsum von Bildern beeinflussen, hat sich auch diese weitgehend automatisiert und lebt von Stereotypen wie Größe, Eindruck und Oberfläche. In der Größe der Objekt davon abge- setzt, müssen sich beide Künstler, was die Gestaltung der Oberflächen angeht, auf Verfahren der Manipulation von Bildern einlassen. Eichhorn wählte für die Prints der Videostills offensichtlich solche automatischen Vorgaben von Bildbear-beitungsprogrammen. Doch bleibt auch die Produktion der malerischen Effekte davon nicht unberührt. Eichhorn reagiert wie Jurszo auf die Dominanz einer rationalisierten Bildproduktion, indem er Lacke verwendet, die im Polymerisierungsprozess Strukturen erzeugen, die durch eine spätere Übermalungen mit - hier sind es Füllungen von Kreiselementen - sichtbar gemacht werden. So kommt es, dass die Eigenschaften der Malmittel und Farben, also ihre Neigung zu Schwundfalten und -rissen sowie ihre Verläufe auf Oberflächen zur Herstellung von ästhetischen Eigenschaften beitragen. Dabei sorgt das massenhafte Auftreten uniformer Teilchen dafür, dass sich durch Polymerisation des eingesetzten Bindemittels selbsttätig sichtbare Formationen in Gestalt von Falten, Rissen und Verwerfungen bilden.

Rhythmische Wiederholungen gehören ebenfalls zu seinem Repertoire. Aus stereotypen Pinselstrichen und Farbklecksen mit verschiedenen Far- ben und Konsistenzen der Farbmassen entstehen Gebilde, die an Lebewesen erinnern, welche in Form von Schwärmen in bestimmten Konstel- lationen auftreten. Diese künstlerische Modalität ist auch auf den Zeichnungen, die rechts  neben den Videostills ausgestellt sind, zu beobachten. Formationen, die sich auch beim Flug von  Kranichen oder Gänsen zeigen Schwärme, die Metakörper bilden. Welche klarer definierten Formen sich daraus entwickeln können, lässt eine Bildfolge im Kellerraum erahnen, in der drei verschiedene Kreisformen auf dunklem Grund in ein Verhältnis zueinander gesetzt wurden. Die drei zweiteiligen Extremitäten erinnern an Beine, die mit einem Körper verbunden, Lebewesen in scheinbar unterschied-lichen Bewegungsphasen. Man liegt also nicht falsch, wenn man an Animationsfilme denkt.

Vernissage                                                  
Die 09. Ausstellung im Jahresprojekt  Autos fahren keine Treppen  des EINSTELLUNGSRAUM e.V.
Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg 
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