Es geht darum,
eine innere Verwandlung zu vollziehen, um als
Seelenwesen in die geistige Welt aufzugehen.
Dies ist die Essenz der Religionen, die
Botschaft der großen Religionsstifter.
Die Jahrtausende währende Entwicklung der
Religionen und ihrer heiligen Schriften, ihrer
unterschiedlichen Gottesvorstellungen und
religiösen Praktiken ist nicht abgeschlossen.
Die zukünftige Entwicklung hängt unmittelbar mit
kulturellen und gesellschaftlichen Veränderungen
zusam-men. Diese beeinflusssen ihrerseits
wesentlich die konkreten Ausprägun-gen des
religiösen Lebens.
In den sieben Weltreligionen
werden für den Begriff „Seele“ unter-schiedliche
Ausdrücke, Symbole und Bilder benutzt, die aber
in der Essenz die Charaktristika des Seelischen
in Wort und Schrift repräsentieren. Dies möchte
ich am Beispiel von Christentum und Buddhismus
erläutern.
Im Christentum findet „Seele“ sowohl im
Sprachgebrauch als auch in den Texten der Bibel
als ein beinahe universaler Begriff Verwendung.
Im Buddhismus erscheint der Begriff „Seele“
gleichsam als Wasserzeichen, als
strukturgebender Untergrund in der religiösen
Praxis und wird in den Lehren des Buddha als
Synonym für seelische Prozesse und für
„Bewusstsein“ verwendet.
Beispielhaft betrachten wir dazu einige Aspekte
aus Hermann Hesses Leben und Werk, die direkt
oder sinngemäß Auskunft geben über seinen
„Glauben“ und seine religiösen Erfahrungen. Wir
erhalten Einblicke in sein Seelenleben, das sich
im Spannnungsfeld zwischen Christentum und
Buddhismus
ausbreitete.
Aufgewachsen in einer protestantischen Familie,
wandte sich Hesse im Lauf seines Lebens immer
wieder den großen Religionsstiftern und ihren
Schriften zu.
1) Meine
eigene, im Christlichen beginnende
Seelengeschichte zu erzählen, aus ihr meine
persönliche Art von Glauben systematisch zu
entwickeln, wäre ein unmögliches Unternehmen;
Ansätze dazu sind alle meine Bücher.
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2) Dass mein Glaube in diesem Buch
(Siddhartha) einen indischen Namen und ein
indisches Gesicht hat, ist kein Zufall. Ich
habe in zwei Formen Religion erlebt, als
Kind und Enkel frommer rechtschaffener
Protestanten und als Leser indischer
Offenbarungen (Upanishaden, Bhagavad Gita,
Reden des Buddha). Und auch das war kein
Zufall, dass ich, inmitten eines echten und
lebendigen Christentums aufgewachsen,
die ersten Regungen eigener Religiosität in
indischer Gestalt erlebte. … Ich habe das
geistige Indertum ganz ebenso von Kind auf
eingeatmet und miterlebt wie das
Christentum.
3) Später
hat meine
persönliche Religion ihre Formen noch oft
verändert, niemals plötzlich im Sinn einer
Bekehrung, stets aber langsam im Sinn von
Zuwachs und Entwicklung. Dass mein
„Siddhartha“ nicht die Erkenntnis, sondern
die Liebe obenan stellt, dass er das Dogma
ablehnt und das Erlebnis der Einheit zum
Mittelpunkt macht, mag man als ein
Zurückneigen zum Christentum, ja als einen
wahrhaft protestantischen Zug empfinden.
(...) In meinem religiösen
Leben spielt also das Christentum zwar nicht
die einzige, aber doch eine beherrschende
Rolle, mehr ein mystisches Christentum als
ein kirchliches, und es lebt nicht ohne
Konflikte, aber doch ohne Krieg neben einer
mehr indisch-asiatisch gefärbten
Gläubigkeit, deren einziges Dogma der
Gedanke der Einheit ist.
4) Ich
bin kein Vertreter einer festen, fertig
formulierten Lehre, ich bin ein Mensch des
Werdens und der Wandlungen. Dieses Recht hat Hesse für sich ein
Leben lang in Anspruch genommen. Er lebte
außerhalb der Kirchen und Gemeinschaften; es
gab Zeiten, da er mehr mit dem Buddhis-mus als
mit dem Christentum sympatisierte; doch immer
wieder, unter sanftem oder lautem
Protestieren, nahm er seine christliche
Herkunft an. … Wichtig waren für ihn nur die
Einsichten, die der eigenen Erfahrung und dem
eigenen Erleben standhielten. (…) Eine
Religion, davon ließ er sich nicht
abbringen, ist so gut wie jede andere, denn was wahr ist, davon muss auch
das Gegenteil wahr sein können. (…) Gedanken über die letzten Dinge
waren ihm „heilig“, und doch waren auch sie im
Laufe seines Lebens einer Wandlung
unterworfen: „Aber
auch ich sehe nicht eine Kirche, sondern das
gewöhnliche Gewissen für die letzte Instanz
an.
5) Ich
habe zeitlebens die Religion gesucht, die
mir zukäme, denn obwohl
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1)
Hermann Hesse: Mein Glaube, Suhrkamp Verlag
1987, S.67
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2)
Hermann Hesse Lesebuch, Suhrkamp Taschenbuch
1992, S.301
3) ebd. S. 303 4) Hermann Hesse: Mein Glaube,
Suhrkamp Verlag 1987, S.144/146f ,5) ebd.S. 78
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