hungen. Dagegen protestierten zunächst vorwiegend Schülerinnen und Schüler. In Bremen wurden nach mehrtägigen Protesten die Tariferhhungen zurückgenommen. In Freiburg wurde für mehrere Tage der zentrale Verkehrsknoten blockiert. Dabei waren dort sowohl Demonstrantinnen und Demonstranten als auch Stadtverwaltung und Polizei wiederholt von dem Verlauf der Protestaktionen überrascht:.
  • Die Ampel dient als Blockadehilfe ("Gleich wird's grün"- riefen die Domonstranten auf dem Gehweg im Chor und nutzten die Grünphase für Fußgänger, um die Fahrbahn zu belagern.)
  • Rollentausch: In dem die Polizei versucht zu räumen, blockiert sie durch ihre massive Präsenz selbst den Verkehr.
  • Themenwechsel: Der Gegenstand des Protestes kippt von Fahrpreisen zu Polizeieinsätzen und Fragen der Demokratie.
  • Die Forderung nach Herstellung von Öffentlichkeit für eine öffentliche Stadtratssitzung (Lautsprecherübertragung auf den Rathausplatz) erneuert den Begriff der Öffentlichkeit.

5.    Tiefen- und Langzeitwirkungen

Viele zunächst Unbeteiligte äußerten sich in Briefen an Zeitungen, AstA (Allgemeiner Studenten Ausschuss) und Stadtverwaltung zu den Demonstrationen, sowohl ablehnend als auch zustimmend:

Zitat: "Mit Glacéhandschuh kann man die Verbrecher gegen die Stadt Freiburg nicht anfassen, sondern rücksichtslos radikal vorgehen, in der Studentenschaft befindet sich mindestens 70 % Kommunisten."2

Zitat: "Einige tausend Bürger halten als Protestierende und Zuschauer die Stadt in Atem. Das ist ungewohnt, weil wir in 20 Jahren sehr wenig mit den Regeln der Demokratie vertraut gemacht wurden."; "Die Fahrpreiserhöhungen der St.[ädtischen] Verkehrsbetriebe sind nicht für große Familien zumutbar. (...) Was mich an der ganzen Sache besonders erbost,
ist die Haltung fast aller Bürger: im Bus und auf der Straße wird geschimpft - viel zu teuer, unverschämt - und wenn die Erhöhung durchgesetzt wird, dann geht das Schimpfen erst recht los. Heute aber fallen sie alle den Schülern und Studenten in den Rücken, die auch für uns Bürger mitprotestieren." 3
  • Die breite Auseinandersetzung mit den Demonstrationen zeigt, dass sie trotz ihrer räumlichen und zeitlichen Begrenzung eine Tiefenwirkung entfalteten, die über eine spontane reflexhafte Reaktion hinaus ging.
6. Protestverläufe

Auf ähnliche Proteste wurde von staatlicher Seite aus jeweils gleich reagiert. Proteste nahmen deshalb trotz ihres spontanen Charakters allerorten einen ähnlichen Verlauf. Nach der ersten Protestwelle kam es zu einer starren Wiederholung der Konfrontation Demonstranten/Polizei. Der damalige Bremer Bürgermeister Koschnick erkannte im Nachhinein: "Wir hatten vorher eine ähnliche Auseinandersetzung in Köln. (...) ich hatte mich darüber aufgeregt, dass dort auch zuerst die Staatsgewalt eingriff und hinterher der Dialog kam, und gesagt, das wollen wir mal nicht machen. (...) Wie kann man im Dezember noch sagen, wir müssen einen neuen Weg suchen und meine erste Reaktion war der alte Weg? Das war der falsche." 4
  • Protestformen und -reaktionen werden schnell ritualisiert. Situationen gehen dann nicht mehr über den Erwartungshorizont hinaus.
7. Belebung ritualisierter Proteste

Im Protest gegen Fahrpreiserhöhungen gelang es beiden Seiten im Sommer 1969 in Hannover, durch ein neues Element - die Rote Punkt-Aktion - das Ritual vorhergehender Protestverläufe zu durchbrechen.

Anmerkungen:
2. Lars Müller: Gleich wird's grün. Freiburger Fahrpreiskämpfe 1968. Hg.: Archiv soziale Bewegungen & Stadtarchiv Freiburg. - Freiburg im Breisgau : Jos-Fritz-Verl., 2003. - 1 CD-ROM ; 12 cm + Begleith. (32 S.); (Materialien zur Protestgeschchichte 2) 2003,  [Dok.-Nr. 11432] ; [Dok.-Nr. 9020]


3.Lars Müller: Gleich wird's grün. Freiburger Fahrpreiskämpfe 1968. Hg.: Archiv soziale Bewegungen & Stadtarchiv Freiburg. - Freiburg im Breisgau : Jos-Fritz-Verl., 2003. - 1 CD-ROM ; 12 cm + Begleith. (32 S.); (dt.) (Materialien zur Protestgeschchichte 2) 2003,  [Dok.-Nr. 9086]
4.Hans Koschnick nach: Detlef Michelers: Draufhauen, Draufhauen, Nachsetzen! Die Bremer SchŸlerbewegung, die Strassenbahndemonstrationen und ihre Folgen 1967 / 1968. 1. Auflage. Edition Temmen. Bremen 2002. 192 S 2002. S. 63.

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