SCHUBUMKEHR/ Performancetage: Lars Müller GLEICH WIRDS GRÜN Soziale Bewegung und performativer Protest. Vortrag
  

Notizen und Thesen zum Vortrag bei den Performance-Tagen im Einstellungsraum in Hamburg am 30. August 2008

1.    Sommer 1967: die Reise des Schahs als Taktgeber für Proteste

Im Sommer 1967 befindet sich die Welt im kulturellen Aufbruch; in den USA ist eine starke Bürgerrechtsbewegung aktiv; der Vietnamkrieg wird zunehmend kritisiert; mit Kiesinger ist ein Ex-NSDAP-Mitglied deutscher Bundeskanzler; gegen die Große Koalition formiert sich die außerparla- mentarische Opposition (APO); und der Protest gegen die Notstandsge- setzgebung wird zunehmend lauter artikuliert.
In dieser Situation besuchte der Schah, Staatsoberhaupt des Iran, die Bundeshauptstadt Bonn. Ab dem 27. Mai 1967 hielt er sich dort für einige Tage als Staatsgast auf. Wo er hin kam herrschte quasi Ausnahmezustand und es gab Proteste.
  • Sein Besuchsprogramm war Taktgeber für die ihn begleitenden Proteste.
  • Staatliche Inszenierungen wurden in Protesten aufgegriffen, karikiert und so gegen den Schah und seine Gastgeber gewendet.
2. Der Tod Benno Ohnesorgs

Der Schah war weiter nach Berlin gereist. Auch dort gab es Demonstration gegen den Diktator. Benno Ohnesorg wurde am 2. Juni in Berlin bei der Anti-Schah-Demonstration von einem Polizisten erschossen. Sein Tod rief in der gesamten BRD Bestürzung hervor. Bezüge zur Notstands- gesetzgebung wurden gezogen („Notstandsübung“).
  • Durch den gewaltsamen Tod des Demonstranten wurden die Proteste bundesweit zeitlich und thematisch synchronisiert.
3.   Vor der Demonstration kommt die Versammlung

Zahlreiche Großveranstaltungen wurden in Unistädten durchgeführt. In Hannover versammelte sich die damalige linke Politprominenz unter dem Eindruck des Todes von Benno Ohnesorg zum Kongress „Hochschule und Demokratie“. Ein Besucher einer Diskussionsveranstaltung mit Rudi Dutschke in Bremen erinnert sich „an keinen Satz mehr von Rudi Dutschke. Aber es war bedeutend.“1  In Bonn verweigerte die Unileitung, Räume für eine Diskussion mit Rudi Dutschke zur Verfügung zu stellen. Die Versammlung wurde im Treppenhaus abgehalten. In Freiburg weigerte sich die FDP-Parteiführung, mit dem von ihrer Studentenorganisation eingeladenen Gast Dutschke am Rande ihres Bundesparteitages zu diskutieren. Es wurde vor der Halle diskutiert.
  • Die Anwesenheit prominenter GŠste (oft Rudi Dutschke) stellte erfahrbare BezŸge zwischen ãProvinzÒ und ãZentrum der ProtesteÒ her.
  • Den genannten Versammlungen ist gemeinsam, dass sie selbst zum ãEreignisÒ wurden.
  • Damit wurde allein die Teilnahme an der Versammlung zur politischen Handlung

4.    Proteste gegen Fahrpreiserhšhung

Eine Mehrwertsteuererhšhung zum 1. Januar 1968 fŸhrte zum Jahresbeginn bei vielen lokalen Verkehrsbetrieben zu Fahrpreiserhšhun-
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1 Robert Bücking nach: Horst-Pierre Bothien: Protest und Provokation. Bonner Studenten 1967/68 (Forum Geschichte 6) 1. Aufl., Essen 2007.