Martina Ring. „Regelgrün“
Text zur Ausstellung im EINSTELLUNGSRAUM von Hajo Schiff:   

Vor dem Lob der Künstlerin soll hier immer einiges zum Reihentitel, also dieses Jahr zu den „Regeln“ gesagt werden. Zudem wird hier in diesem Ausstellungsprojekt stets der so stark reglementierte Straßenverkehr als Referenz genutzt. Also da sei für diese Ausstellung von Martina Ring ein frisches, von Planern ernsthaft verwendetes Stichwort präsentiert: „Straßenbegleitgrün“.
Der Begriff „Straßenbegleitgrün“ ist wie eine verwaltungstechnische Ohrfeige für jede Form pflanzlicher Existenz. Doch das immobile Grün begleitet brav die menschliche Mobilität, schützt vor zu viel Licht und Lärm, neuerdings auch als Moos-Wand gegen Feinstaub und baut sich, wenn es denn erwachsen ist, als hartes Hindernis für zu schnelle Automobilisten auf, zieht sie dann manchmal, ein bisschen wie aus Rache, mitunter dauerhaft aus dem Verkehr. Wobei letzteres von den Planern natürlich als ein mit vielen Mitteln zu verhindernder Regelbruch gesehen wird.
Zu Regeln und Regelbrüchen, zum in der Kunst seit der Avantgarde oder sogar schon seit der Renaissance geradezu verpflichtenden Bruch mit der Tradition und der Konvention, wurde schon bei der Eröffnung der Ausstellung von Farideh Jamshidi einiges gesagt. Und es gäbe von da neben der Tatsache, dass auch Martina Ring unter anderem bei Franz-Erhard Walther studiert hat, eine weitere Brücke zum heutigen Thema: Der Persische Garten, viergeteilt und ein (sehr abstraktes) Abbild des Paradieses. Der ist übrigens bis heute noch ein Modell auch neuerer Grün-Planungen in den islamischen Ländern. Aber auch das Straßenbegleitgrün spielt dort eine Rolle: Wenn beispielsweise im Sultanat Oman eine neue Autobahn gebaut wird, kostet es kaum mehr, parallel auch Wasserrohre zu verlegen und die Straße mitten in der Wüste rechts und links von einer Reihe von künstlich bewässerten Büschen begleiten zu lassen: Eine Landschaftsillusion passend zur Klimaanlage im rollenden Gefährt. Mit Wasser sind die lieben Pflanzen eben bestechlich. Aber sie sind nicht so dumm, wie viele denken.
Martina Ring hat zu ihrem Examen an der HfbK ein seltsames Experiment gemacht. Sie hat Weinstöcke dazu angehalten, im hiesigen Gegentakt zu leben, also im Herbst zu blühen und im Frühjahr zu reifen. Denn sie hat die Weinpflanzen aus Australien geholt und die wussten ja, wie es richtig ist, Downunder. Allerdings bedurfte es dazu einigen technischen Aufwands und nach einiger Zeit hätten die Pflanzen ihren anderen Ort sehr wohl realisiert und ihr Verhalten entsprechend korrigiert.

„Alle Kunst kommt aus dem Garten oder will in den Garten.“

Ein starker Satz. Er bezieht sich nicht nur auf die Inspiration und die Materialien, er ist auch nicht, wie vielleicht zu denken wäre, von Monet, er ist von Martina Ring, der Künstlerin, Kunstvermittlerin und, aber das ist etwas anderes, auch Puppenspielerin.

Gut. Also: an allem Anfang war der Garten. Das Paradies. Und der Regelbruch: Eva reicht Adam den Apfel und die Schlange lacht. Wenn man diese Geschichte übrigens geschlechtsmäßig umdreht ändert sich auch nichts. Ab sofort war alles nicht mehr dem bloßen Sosein verpflichtet, sondern der Nützlichkeit. Und aus dem Verlust des Paradieses keimte der Traum des Gartens. Des Gartens als Kulisse und Modell der Welt, wie sie sein sollte. Seit Jahrtausenden realisiert mit teils massiven gärtnerischen und gartengestalterischen Eingriffen, die die Natur des jeweiligen Ortes oft völlig umgestalten – von den weit ausholenden Achsensystemen barocker Planung bis zum heutigen Gegenteil, dem Versuch einer allerdings ebenso grundlegend ändernden „Renaturierung“ beispielsweise großer Industriearreale wie beim Projekt Emscher-Park oder den Braunkohlegruben im Osten.
Doch dabei passiert immer wieder etwas Widerständiges: Die Welt verteidigt ihre Freiheit gegen das ihr übergestülpte Abbild (ihrer selbst). Pflanzen wachsen irregulär, sprengen Mauern, wuchern um Ecken. Das zu zeigen ist ein Anliegen von Martina Ring. Wenn sie dazu Photos benutzt, ergibt sich neben dem Dokumentarischen noch ein weiterer Aspekt:
Einführung: Hajo Schiff | Kunstmittler
Vernissage
back
next
Gefördert von der Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirk Wandsbek