Der EINSTELLUNGSRAUM, in dem es ja ausgewiesenermaßen um die Entwicklung der Gedanken geht, unter besonderer Berücksichtigung von Fragen des Lenkens und Steuerns, war ein Blumengeschäft, also ein Laden, in dem man vor allem Blüten also Ideen kaufen konnte, das Ergebnis eines Rankprozesses, abgeschnitten und pro Stück verkauft. Deshalb sind die Pulte von Sabine Rehlich auch so bunt. In den krallen Farben von gedrahteter Gerbera stehen sie hier herum, wartend auf Ruhe im Raum oder Ruhe auf der Wandsbeker Chaussee - letzteres wird nicht eintreten.

Die Situation ähnelt Predigten, die man von Fußgängerbrücken hinab auf die Autobahn hält, mit ausgebreiteten Armen dem brausenden Verkehr zuwinkend. Allerdings haben wir es hier im EINSTELLUNGSRAUM mit einem Wendepodest, oder Wendepodium zu tun. Von einem Wendepodest spricht man  z.B. bei Absätzen, von Treppen die sich im Zickzack höher winden, also immer dann, wenn sich die Bewegungsrichtung ändert. Hier verläuft die Bewegungsrichtung der vorbeirauschenden Fahrzeuge quer zur Blickrichtung des Pultstehers. Nur mit den Blicken kann man die Straße geradlinig überqueren, so man sich nicht nach links und rechts ablenken lässt, dafür braucht es ein wenig Übung und also wieder Geduld.

Auch der Name EINSTELLUNGSRAUM, hat  irgendwas mit stehen und warten zu tun. Und der Gedanke kommt von dort, wo er entsteht - nämlich im Fuß, am Grunde der Sohle genauer. (Fragt Kant, fragt Benjamin, fragt Pessoa, fragt all die berühmten Spaziergänger -besonders R. Walser- und Flaneure überhaupt.) Stehen ist, sage ich jetzt mal, eine reduzierte Form des Gehens. Was beim Stehen und Gehen gleich bleibt, ist die gerade Richtung der Gedanken von der Sohle direkt in den Kopf zu den herumglotzenden Augen, anders als beim Sitzen, wo man mit zwei 90-Grad-Winkeln ein erhebliches Verzö- gerungsmoment einkalkulieren muss.

Der Kopf wird aber immer behaupten, dass er stets dorthin blicke, wo angeblich hingegangen wird, aber das stimmt nicht, denn die  aufsetzende Fußsohle
ist gewissermaßen "die dunkle Seite des Mondes" und dort spielen sich Dinge ab, die wir nicht antizipieren  können. Hirnphysiologen sind jedenfalls überzeugt, dass die Entscheidung zu einer Tat nicht bewusst gefällt wird, sondern viel früher sozusagen von der dunklen Seite des Mondes her, eine solche Entscheidung an den Kopf und das Bewusstsein gefunkt wird.

Und auch hier, bei dieser Blickrichtung über die Straße, können wir den Kopf einer zwar blütenreichen aber vor allem blödsinnigen Idee überführen; denn an dieser Stelle wird man die Wandsbeker Chaussee besser nicht überqueren, man sollte das nicht tun, auch wenn man sehr entschlossen hinüberblicken kann. Vielleicht hält man sich deshalb auch an den Pulten fest, besonders bei Vollversammlungen und im Bundestag. Die greifenden und krallenden Hände im Pakt mit den Sohlen der stehenden Füße wissen, dass die jeweilige Blickrichtung nicht unbedingt umgesetzt werden muss.

Warten und festhalten also, denn sitzend und ruhend wird die Seele ja angeblich sogar weiser, aber zur Ruhe kommt man kaum, ist ja auch die Frage, ob die Seele dazu da ist, weiser zu werden. Wenn die Hände sich nicht mehr an etwas festhalten, nichts begreifen können, wie zum Beispiel ein Stehpult, dann will sie weiter - die Seele – "soul" heißt sie im Englischen, wie die Sohle – die Sohle also will nicht weiser werden, sie will weiter, immer weiter – gehen, laufen, marschieren.

Denn wir gehen nicht wohin, sondern wir gehen einfach immer weiter, dass gegangen wird, ist entscheidend, nicht wohin. Das ist alles, was die Sohlen verlangen und wenn man rastet, nicht auf dem Weg nach xy, sondern an so einem Pult von Sabine Rehlich, kann man kurz seine Gedanken an dem Pult ranken lassen, Gedanken, die man sonst immer nur um sich streut. Stehen hat also den Vorteil einer Bündelung, während Gehen dem Impuls unseres Gleichgewichtsapparats nachgibt, da 2-Beiner dafür gebaut sind zu laufen, nicht zu stehen, andernfalls fallen sie, es sei denn, sie halten sich an einem Stehpult fest.


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