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einem dezenten „Ping“ ihrer Fahrradklingel den verdutzten BesucherInnen wortlos eine dieser Nachrichten zu überreichen. Die Performance funktionierte außerordenlich gut: Wie auch beim Eingangssignal einer SMS nach dem Mobiltelefon, griff das Publium wie automatisch zu den Karten und unterbrach dafür seine jeweilige Tätigkeit wie zuhören, schauen, sinnieren, reden und las die zumeist kryptischen Botschaften. Lena Oehmsen stellte mit dieser Performance klug und humorvoll die Frage nach dem, was eine Nachricht überhaupt ausmacht und was der Wert der zahllosen Nachichten auf dem Telefon ist, die mittlerweile ein permanentes Ablenkungspotential darstellen und stete Aufmerksamkeit einfordern (und ein schlechtes Gewissen bei Nichtbeachtung produzieren).

Auch in der hier gezeigten Arbeit „+Eiffelturm“ transformiert Lena Oehmsen aus einem digitialen Medium eine analoge Darstellung. In dieser Serie wird darüber hinaus noch ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit sichtbar: Das Sammeln, Archivieren und Aufbereiten von Informationen. Ausgangspunkt der Arbeit ist der rasant wachsene Fundus an Ortsfotografien auf Google Maps. Google Maps arbeitet hierfür mit der Fotosharingplattform Panoramio zusammen, auf der Amateur- und Hobbyfotografen ihre georeferenzierten, also ortsbezogenen, privaten Schnappschüsse veröffentlichen können. Als Anreiz dieser ehrenamtlichen Arbeit für ein kommerzielles Unternehmen dienen Bewertungen der Fotos durch Besucher und Mitbenutzer. Für weltbekannte touristische Ziele lassen sich somit auf der Plattform zahllose Variationen finden.

Lena Oehmsen hat sich für Ihre Arbeit wohl eines des häufigsten touristischen Motive, den Eiffelturm in Paris, vorgenommen (eine einfache Google Suche zum Stichwort Eiffeltower ergab im Übrigen 3,3 Mio Einträge). Die im Internet gefundenen Fotos wurden ausgedruckt, bearbeitet und anschließend in verschiedenen Varianten zusammengestellt: Der Eiffelturm bei Nacht, vor Bäumen, vor blauem Himmel, mit Wolken oder mit Straßenlaternen. Nur eines fehlt auf allen Bildern: Der Eiffelturm, der zuvor mit dem Papiercutter sorgfältig ausgeschnitten wurde.

Die Abwesenheit des eigentlichen Motivs lenkt stattdessen den Blick auf die verschiedenen fotografischen Inszenierungen, mit denen der Turm in den Mittelpunkt gestellt wurde: Von unten nach oben die Höhe betonend, aus der Ferne, um die opulente Beleuchtung hervorzuheben oder romantisierend mit Baumbestand.
Die den Bildern zugehörigen Bildunterschriften wurden ebenfalls entfernt und nach neuen Kriterien zusammengestellt. In einem Rahmen sind zeitliche Angaben wie Datum, Uhrzeit, Tages- oder Jahrszeit zusammengestellt. Unterschiedliche sprachliche und schriftliche Variationen des Namens von englisch bis chinesisch finden sich in dem zweiten, während der dritte Rahmen perspektivische Angaben enthält.

Die Arbeit „
+Eiffelturm“ stellt einen Ausschnitt aus einem absurden, immer weiter wachsenden Archiv dar, in das Touristen ihre eigenen Bilder einstellen. Das Foto wird hier nicht nur visualisierte individuelle Erinnerung. Scheinbar wird der Besuch des Eiffelturm nicht schon im Moment des Festhaltens per Kamera, sondern erst mit der Veröffentlichung im Netz letztendlich wahr.

Im kleinen Kriechkeller der Galerie finden Sie eine schwarze Bank, auf der ein Kasten mit beschrifteten Dia-Serien steht und ein Diabetrachter. Hier sind keine historischen Urlaubs- und Reisebilder zu betrachten, sondern aktuelle, digitale Aufnahmen, die mit dem Smartphone erstellt wurden. Die Bilder stammen von der Künstlerin selbst, ihrer Familie und Freunden und können dort unten in einem fast intimen Ambiente betrachtet werden. In seiner katakom-benhaften Ausstrahlung ist der Keller zugleich aber auch ein geheimnisvoller Ort mit eigener Athmosphäre. Dementsprechend stimmungsvoll sind auch die Dias. Auf Ihnen sind keine Details abgebildet, sondern sie zeigen Ansichten von Orten, die eher eine Stimmung einzufangen versuchen.

Die Installation setzt dem täglichen Umgang mit der Fotosammlung des eigenen Smartphones eine entschleunigte, analoge Variante entgegen, in der der Diabetrachter (also der Apparat) den Touchscreen ersetzt. Auf dem Smartphone funktioniert die Suche nach einem bestimmten Bild per Fingerwischen, wobei eine Vielzahl von Bildern und somit flüchtigen Momenten, Sehnsüchten und Erinnerungen vorbeihuschen und ab und zu aufblinken. In der gezeigten Installation findet sich diese Flüchtigkeit in den Dias selbst wieder. Sie zeigen nur wenig und doch steckt in Ihnen ein privater Moment der Erinnerung. An diesem zeigt sich ein dritter wichtiger Schwerpunkt in der Arbeit von Lena Oehmsen. Die Frage nach der Erinnerung und wie diese sich im digitalen Zeitalter manifestiert. Sind es die flüchtigen Bilder, die in Vielzahl vorbeihuschen und dadurch ein kurz aufflimmerndes Erkennen erzeugen, aus denen sich zukünftige Erinnerungen speisen?

 Presse
Vernissage
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