Lena
Oehmsen „Von der Ferne“ - Rede zur
Ausstellungseröffnung am 17. September 2014 im
EINSTELLUNGSRAUM e.V. in Hamburg Wandsbek, gehalten
von Angela Piplak Schönen guten Abend zusammen, Ich freue mich sehr, Ihnen heute Abend die Hamburger Künstlerin Lena Oehmsen vorstellen zu können, deren Arbeit ich in diesem Frühjahr kennengelernt habe. Die hier gezeigte Ausstellung „Von der
Ferne“ beschäftigt sich mit dem Thema Reisen und
Fotografie im 21. Jahrhundert und im digitalen
Zeitalter. Reise und Fotografie sind seit der
Erfindung der Fotografie bzw. seit der Erfindung von
tragbaren Fotoapparaten eng mitein- ander verbunden.
Kaum eine Expedition von Reisenden und Ethnologen seit
dem 19. Jahrhunderts kam noch ohne die Fotografie aus,
die einen visuellen Eindruck des Gesehenen und
Erlebten scheinbar objektiv und möglichst „naturnah“
für die Daheimgebliebenen dokumentieren sollte. Mit
der massenhaften Verbreitung der Fotografie in den
Illustrierten seit den 1920er Jahren entwickelte sich
dann ein völlig eigenes Genre der Reise-Fotografie,
das vielfach touristische Ziele attraktiv in den
Vordergrund stellte. Mit Verbreitung handlicher, auch
für breitere Schichten erwerbbarer Kleinkameras wurde
die Fotografie darüber hinaus zum erschwinglichen
Hobby breiter Bevölkerungsgruppen. Das
Erinnerungsfoto aus dem Urlaub wurde nun
obgligatorisch, denn in der Bewahrung der Erinnerung
sowie der Dokumentation der Reise und besonderer
Ereignisse liegen zwei Hauptfunktionen der Fotografie,
wie Heinz Norbert Jocks in einem Aufsatz „Über den
Gebrauch der Fotografie“ 1 beschreibt.
Der Reisende wird seit dem 20. Jahrhundert in diesem Sinne immer weniger zum Forscher und Entdecker, sondern spürt anhand der massenhaften Verbreitung von Bildern eines Ortes eben diesen Bildern nach. Bereits 1964 konstatierte Marshall McLuhan dieses Phänomen: „Genauso kann ein Tourist, der zum schiefen Turm von Pisa kommt ... nur noch seine Reaktion auf etwas überprüfen, das ihm schon lange vertraut ist, und davon selber noch Bilder machen.“2 |
Das Reisen - und damit komme ich
auf das diesjährige Thema Park&Ride des
EINSTELLUNGSRAUM - ist ein ständiger Wechsel von
Aufenthalt und Ortsveränderung, von Ankommen und
Fortbewegung. Die Reisefotografie ist dabei ebenfalls
dem Rhythmus von Park und Ride
unterworfen: Der Augenblick der Motivsuche und des
Auslösens der Kamera unterbricht die Reise und fängt
einen Moment oder einen Ausschnitt der Umgebung ein,
bevor es weiter geht. Dieser eingefangene Moment findet
später vielleicht seinen „Parkplatz“ im digitalen
Fotoalbum der sozialen Netzwerke oder klassisch
gebundenen im Wohnzim-merregal.
Ein anderer Aspekt von Park&Ride sind Transformationsprozesse: Zum Einen als physischer Wechsel von einem Verkehrsmittel zu einem anderen, zum Anderen aber auch von einer sozialen Rolle in eine andere, oder aber von einem Medium zum anderen. Und damit sind wir auch bei der Künstlerin des heutigen Abends angekommen. Lena Oehmsen beschäftigt sich mit Transformationsprozessen und setzt sie als künstlerische Strategien ein, um Mechanismen, aber auch Widersprüchlichkeiten und Eigentümlichkeiten der digitalen Kommunikationsmedien wirkungsvoll herauszuarbeiten. In ihren Installationen und Performances setzt sie gezielt historische Präsentationstechniken und Medien ein, um damit aktuelle digitale Kommunikationsformen unter anderem Blickwinkel zu betrachten. Nach McLuhan verändert sich der Sinn aller Dinge durch Beschleunigung und er beschrieb diese Auswirkung anhand der damals aktuellen Medien. In ihren künstlerischen Untersu-chungen nähert sich Lena Oehmsen diesem Komplex aus anderer Richtung. In der Entschleunigung, aber auch in der physisch Erfahrung sucht sie den Gehalt der schnellen, digitalen Informationen zu erkunden. Auf dem diesjährigen „Bremer Kunstfrühling“, dessen Partnerstadt Hamburg war, lud Lena Oehmsen die Besucherinnen und Besucher ein, in einer „Mitteilungszelle“ eine Postkarte mit einer alten SMS Nachricht aus dem eigenen Telefon zu verfassen und diese dann in einen dort aufgestellten Briefkasten zu werfen. Dieser Briefkasten wurde geleert und der Inhalt dann von scheinbar zahlosen anonymen Zustellern pfeilschnell durch die Halle getragen. Völlig unvermittelt und keinem erkennbaren Muster folgend blieben die Austräger stehen, um mit |
1 Jocks,
HeinzNorbert: Über den Gebrauch der Fotografie
in:KunstforumInternational,Bd. 171, 2004. 2 McLuhan, Marshall (1964): Die magischen Kanäle Understanding Media, Düsseldorf 1995, S. 304. |
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