Komponist hat Wagner daher eine Synthese von bildnerischen, sprach- lichen, musikalischen und übrigens auch olkofaktorischen, also geruchlichen Medien angestrebt. Wagners Figuren schnuppern permanent an Düften, werden durch Gerüche inspiriert oder hüllen sich in blauen Dunst, wie der Zauberer Klingsor zu Beginn des 2. Akts des Parsifal, der dann durch einen grässlichen Schrei Kundrys unterbrochen wird. (Diese Szene wiederum inspirierte Marga- rethes Installation...)
Konkret wird Wagners Projekt einer sich gegenseitig überschreitenden Medi- enaffizierung im Konzept des ›Gesamtkunstwerks‹, das die Zuhörerinnen und und Zuhörer berauschen und überwältigen soll. Was mit dieser Überwälti- gungsästhetik in etwa gemeint ist, lässt sich am Ende der Oper Tristan und Isolde erahnen, wo Isolde ihren durch zu große Liebe ausgelösten Liebestod besingt und bestaunt. Sie hört dort eine Melodie, die ansonsten niemand anders zu hören scheint. Isoldes entrückter Gesang wirkt wie eine Reflexion des Me- diums Oper auf sich selbst, es scheint, als würde sie dem was sie gerade auf der Opernbühne tut, zuhören, es kommentieren und in gewisser Weise auch dessen
Wirkung selbst empfangen. Wir haben hier leider keine Musikanlage, aber allein der Text ist schon sehr aussagekräftig. Ich zitiere:
Fühlt und seht ihr's nicht? Höre ich nur diese Weise, die so wundervoll und leise, Wonne klagend, alles sagend, mild versöhnend aus ihm tönend, in mich dringet, auf sich schwinget, hold erhallend um mich klinget? Heller schallend, mich umwallend. Sind es Wellen sanfter Lüfte? Sind es Wogen wonniger Düfte? Wie sie schwellen, mich umrauschen, soll ich atmen, soll ich lauschen? Soll ich schlürfen, untertauchen? Süß in Düften mich verhauchen? In dem wogenden Schwall, in dem tönenden Schall, in des Welt-Atems wehendem All --- ertrinken, versinken -- - unbewußt --- höchste Lust!
Isolde verfällt an der hier zitierten Stelle offenbar in einen ›multisensorischen Rausch‹: sie empfindet etwas, das sich – in einem empirischen Sinne – nicht empfinden lässt. Sie empfängt eine unaussprechliche und unhörbare Botschaft, die sie in Exstase versetzt, in ein entzücktes Außer-Sich-Geraten. In ein Zustand also, den man gelegentlich auch als ›Rausch‹ bezeichnet. Der Rausch Isoldes entspringt, so wäre zumindest meine Vermutung, dem tosenden Rauschen niemals ganz ineinander aufgehender ästhetischer Medien, die in ihrer Vielfalt eine permanente Verwirrung der Sinne auslösen. Diese lässt sich nicht mehr verstehen, sondern nur noch empfangen, aufnehmen und in ihrer intensiven Spannung in andere künstlerische Artikulationen weitertreiben: Isolde wird im Liebestod nicht zuletzt zu einer singenden Dichterin.

Vielleicht findet auch in Margarethes Werken eine hier nur angedeutete affektive Weiterleitung empfangener Sinneseindrücke in andere Ausdruckmedien statt. Zumindest spielt bei ihr das Zusammenspiel verschiedener künstlerischer Ebenen und der mit diesem Zusammenspiel verbundene Kontrollverlust eine wichtige Rolle. Die vielfältigen optisch-akustischen Übertragungen und Sendungen lassen sich in ihren rasenden Geschwindigkeiten vielleicht nur noch motorisiert verarbeiten. Dazu kann ich allerdings nicht so viel sagen, ich habe nämlich keinen Führerschein...

Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Empfa
Die 02. Ausstellung im Jahresprogramm Wo Geräusch auf der Gassen ist, da gehe fürbaß (M.Claudius) des EINSTELLUNGSRAUM e.V.

Vernissage
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