Margarethe Mast: Empfänger Einführungsrede 11.03.2015 Benjamin Sprick | HfBK Hamburg Ich freue mich,
heute hier sprechen zu können. Margarethe und ich
kennen uns aus einem Wagner-Seminar an der HFBK, das im
›Wagner-Jahr‹ 2013 stattfand und in dem wir uns
schwerpunktmäßig mit Wagners Begriff des
›Gesamtkunstwerkes‹ und der mit diesem verbundenen
›Vermischung‹ diverser ästhetischer Medien
auseinandergesetzt haben. Und obwohl wir uns im
Anschluss an Wagner - und vielleicht auch ein
bisschen von ihm ausgehend - im darauf folgenden
Semester mit dem Thema NOISE beschäftigt haben, also
mit dem englischen Begriff, der in etwa so viel wie
›Lärm‹, ›Geräusch‹ oder Störung bedeutet, war ich
etwas überrascht, als Margarethe mich nach einer
Seminarsitzung fragte, ob ich Ihr bei einer
›Transkription‹ des Vorspiels zum 3. Akt der Oper Lohengrin
assistieren könnte.
Normalerweise ist eine solche Transkription nicht unbedingt ein Problem, aber Margarethe wollte Wagners Musik durch eine Mischung aus live aufgenommenen Schwanenlauten, den lärmenden Geräuschen von anfahrenden LKW ́s und deren Autohupen wiedergeben. Dabei ging es ihr ausdrücklich nicht darum, lediglich ein paar charakteristische Leitmotive Wagners möglichst prägnant herauszuposaunen, um auf diese Weise einen unmissverständlichen ›Aha-Effekt‹ beim Publikum zu erzeugen. Im Gegenteil: es sollten so viele musikalische Ereignisse wie möglich aus Wagners Partitur zu einer monumentalen Soundcollage zusammenmontiert werden. Irgendwann saßen wir also zusammen mit einem Klavierauszug und einem Computer in ihrem Atelier und verglichen verschieden gestimmte Autohupen, hohes und tiefes Schwanengequake und tremolierende Motorengeräusche, um herauszufinden, welcher Tier- oder Maschinen-›Sound‹ mit der Klanglichkeit Wagners am besten zusammenpasst. |
Das im Rahmen von Margarethes
Diplominstallation In einem fernen Land zu
hörende Ergebnis dieser Anstrengungen war sehr
beeindruckend. Der von ihr produzierte Sound erzeugte ein
zunächst diffuses, dann immer deutlicheres werdendesn
Gefühl, dass es sich bei der Mischung aus Tiergeräuschen
und Motorenlärm tatsächlich um eine Lohengrin-Paraphrase
handelte. Auch in der heutigen Ausstellung ist eine, in ihrer ästhetischen Anordnung zwar anders angelegte, in Bezug auf das erwähnte ›Wagner-Sampling‹ aber durchaus vergleichbare Arbeit zu sehen und zu hören. Sie bezieht sich auf Wagners letzte Oper, das 1882 in Bayreuth uraufgeführte ›Bühnenweihfest- spiel‹ Parsifal. Margarethes Vorhaben die weihevolle und durch religiöse Implikationen aufgela- dene Atmosphäre des Parsifal durch eine Art ›motorisierte Dekonstruktion‹ zu stören, aber auch weiterzuentwickeln, erscheint mir als ein sehr interessantes Unterfangen. Zu der Frage, warum die Ausstellung den Titel ›Empfänger‹ trägt möchte ich im Folgenden ein paar Gedanken vortragen. Ein Empfänger (auch Adressat), ist in einem informationstheoretischen Sinn (dem sogenannten ›Sender-Empfänger-Modell‹) eine Person oder eine Einrichtung, die eine Nachricht durch ein Medium von einem Absender ›übermittelt‹ bekommt. Eine postalische Analogie macht diesen Zusammenhang klar, jemand empfängt ein ihm von jemand anderem mit der Post übersendetes Paket (ob er es auch öffnet?). Das Verb ›empfangen‹ stammt
aus dem Mittelhochdeutschen, wo entváhen
so viel wie auf- oder an-nehmen
bedeutet. Eng
verwandt mit ›empfangen‹ ist in- teressanter Weise das
mittelhochdeutsche entvinden, aus dem sich später dann das
Empfinden, das sinnliche
Wahrnehmen entwickelt hat. (Ent-)Fangen und
(Ent-)Finden hat also mit viel mit aufnehmen
und wahrnehmen zu tun, Vorgänge, auf die sich auch
auf philosophische Ästhetik bezieht, die danach
fragt, wie Sinneseindrücke empfunden und wahrgenommen
werden.
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Die 02. Ausstellung im Jahresprogramm Wo Geräusch auf der Gassen ist, da gehe fürbaß (M.Claudius) des EINSTELLUNGSRAUM e.V. | |
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