der Welt und Gesellschaft
bereit gestellt hat sowie den natürlichen und
kulturellen Dingen ihre Plätze in den gleichzeitig
konstituierten Systemen zuwies. Dieser neuzeitliche
Kanon und seine Ordnungsprinzipien wurden in der
Postmoderne angegriffen, so dass durch den Wegfall von
Grenzen Überschneidungen und Durchdringungen möglich
wurden. Der dingliche Bestand konnte neu gemischt
werden und ermöglichet dessen Neuaufteilung. Dazu
kommen nun die Orte und die Handlungen, die einbezogen
werden, damit die wissenschaftliche wie auch die
künstlerische Betätigung im Politischen ankommt und
gesellschaftlich verhandelt werden kann. Derzeit, so
scheint es, befinden wir uns in einem derartigen
Prozess.
Exkurs über Kunst und Politik: In diesem Zusammenhang
spricht etwa Jacques Rancière von einer nötigen
„Aufteilung des Sinnlichen“5
Die von ihm ausgeführten Felder der Ästhetik, Ethik,
Poesie und Politik fassen übrigens die Rolle der Kunst
nicht primär unter urbanistischen und wirtschaftlichen
Gesichtspunkten, wie das bei Richard Florida der Fall
ist. Rancière sieht die Perspektive in der Suche nach
einer Balance im Konflikt zwischen den verschiedenen,
also auch den politischen, ethischen und ästhetischen
„Regimen“, welche gerade die wirtschaftlich geleiteten
dominanten Interessen ausbalancieren. Wenn das
künstlerische Engagement nicht systematisch gesehen
und allein seine Funktion im Stadtmarketing reduziert
wird, können die Ursachen der Kämpfe um urbane
Räume nicht wirklich verstanden werden. Die
Künstler werden dadurch immer wieder als in einem Boot
mit den treibenden Kräften der Gentrifizierung sitzend
dargestellt. Wenngleich sie auch ein wichtiges Glied
in der Wertschöpfungskette sind, wird diese
schließlich den Künstlern zur Fessel, denn sie gehören
mit einigen Ausnahmen nicht zu den wirtschaftlich
begünstigten Teilen der kreativen Klasse und schon gar
nicht zu den Investoren. Abgesehen davon stehen - im
philosophischen Sinn - ästhetische Gesichtspunkte nur
indirekt in der Renditesteigerungsspirale, obwohl sie
grundsätzlicher Art sind und die ganze Gesellschaft
nachhaltig beeinflussen. Wegen der an die Kunst
gerichteten wirtschaftlichen Ansprüche müsste man
Rancières Modell durch ein ökonomisches „Regime“ der
Kunst ergänzen. Bemerkenswert
|
nur, dass sich
Rancière vorsichtshalber gegen Benjamin abgrenzt6
, um sich nicht den durch „die Ästhetisierung der
Politik“ begründbaren Faschismusvorwurf einzufangen
zu müssen. Doch geht es gar nicht darum, sondern um
die dynamische Neugewichtung der Verhältnisse
zwischen den politischen, ethischen und ästhetischen
„Regimen“ der Kunst. Wenn Rancière von „Regimen“
spricht, beinhaltet das ein permanentes Ringen
darum, unterschiedliche Ansprüche an der Kunst
abzugleichen und ihre Einflussmöglichkeiten zu
organisieren. Er glaubt, dass „Eine Gemeinschaft des
Sinnlichen entsteht, wenn Raum und Zeit auf eine
bestimmte Weise eingeteilt und dadurch Praktiken,
Formen der Sichtbarkeit und Verstehensmuster
miteinander verknüpft werden. Dieses Aus- schneiden
und Verknüpfen nenne ich eine Aufteilung des
Sinnlichen.“7
Dazu allerdings müssen die Künstler genauso wie die
Habenichtse, also gerade diejenigen ohne Kapital,
Grundbesitz und Titel in die öffentlichen Debatten
einbezogen werden. Entscheidend ist, dass Rancière
außerdem auch die Dinge mit einbezieht, sofern sie
Verhältnisse repräsentieren. Die Oberfläche des
Paravents könnte ein Paradigma der Feststellung
sein: „Eine ‚Oberfläche’ ist nicht einfach nur eine
geometrischen Komposition von Linien. Sie ist eine
Form der Aufteilung des Sinnlichen.“8
und könnte so gesehen die Entzifferung des
Modellhaften sein, das Künne vorschwebt. Wenn sie
die Möglichkeiten einer enthierarchisierten
Kombinier- und Variierbarkeit erprobt, so liegt
darin auch eine Möglichkeit, die „Fehler im Lauf der
Dinge“9
offen zu legen. Künnes Installation kann als Ansatz
gelesen werden, die fehlgeschlagenen Logik innerhalb
des „politischen Regimes“ der Künste sichtbar zu
machen. Die Auseinandersetzung mit dem
Formenrepertoire der Vergangenheit ermöglicht es
auch, die Bedingungen als „Heterotopie“ zu erkennen.10
Nachträglichkeit Heterotopie bezeichnet - medizinisch - die Entstehung von Geweben am falschen Ort und entspricht durchaus der Dynamik von Stadtentwicklung. Das Doppelobjekt auf dem Bock soll Aufschluss darüber geben, wie die Künstlerin mit der Formensprache der Moderne und ihrer De-konstruktion umgeht. Die Labilität der auf rohen Holzlatten aufgestellten Objekte erscheint als Provisorium. Zudem waren die beiden auf einer Plattform |
5 La Partage du sensible. EstéŽtique et
politique, Paris 2000, dt. Die Aufteilung des
Sinnlichen Berlin 2006. 6 ebd., S. 33 7 ebd., S. 71 8 ebd., S. 30 9 So heißt ihre "Künstlerische Recherche zur Nachkriegsarchitektur in Mannheim und Ludwigshafen", Berlin (Revolver) 2010. |
10 Rancière hatte
die revolutionäre Utopie Analysiert und folgende
Erkenntnis gewonnen: „Die saint-simonistischen
Ingenieure propagierten einen neuen, wahren
Gemeinschaftskörper, bei dem die in den Boden
eingelassenen Wasser- und Schienenwege die Illusion
des geschriebenen und gesprochenen Wortes ersetzen
sollten. Die Antwort der Arbeiter bestand nicht
darin, die Utopie mit der Praxis zu konfrontieren,
sondern der Utopie ihren ‚unwirklichen’ Charakter
zurück zu geben, den einer Montage aus Wörtern und
Bildern, die das Territorium des Sichtbaren,
Denkbaren und Möglichen neu gestalten. Entsprechend
wären die ‚Fiktionen“ der Kunst und der Politik eher
Heterotopien als Utopien.“ S. 64 |
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