Der innere Ton und der aeussere Laerm: Birgit Jensen
Birgit Jensen EINSTELLUNGSRAUM, 10.07.2015

Jarno Vesala

Jarno Vesala wurde 1977 in der Hafenstadt Rauma in Finnland geboren. Im Jahr 2000 ging er nach Tampere, um an der Tampere University of Applied Sciences zu studieren. 2004 schloss er das Studium ab. Er lebt in Nokia, ca. 15 km von Tampere entfernt. Jarno Vesala Lebenslauf und Infos siehe:
http://www.jarnovesala.com/info.html



               Jarno Vesala
Jarno Vesala „Kadulle Kuului Tanssi – Der Tanz schallt bis auf die Strasse“,
Atelier am Eck, Düsseldorf 2011,
(Foto: Birgit Jensen)

Neben Auslandsaufenthalten in New York und Griechenland war Jarno 2011 zu Gast in Düsseldorf als siebter Stipendiat der Landeshauptstadt Düsseldorf im Rahmen des Künstleraustauschs mit Tampere / Finnland.

Das Helsinki City Art Museum besitzt zwei Arbeiten von ihm: “Cry after Laughter” und "There".
“Cry after Laughter” (2005) ist eine Skulptur aus Holz und Metall, die eine menschliche Figur darstellt und so lebensecht gemacht ist, dass man sie als lebendigen Menschen wahrnimmt. Sie steht in der Ecke und wendet dem Betrachter den Rücken zu. Über einen integrierten Lautsprecher hört man ein leises Wimmern und Weinen.
Die erste Arbeit, dich ich von Jarno sah, war die Videoprojektion “Tiikeri” (Tiger) (2008). Ein etwa 3-jähriges Kind ist lebensgross auf die Wand projiziert. Es sitzt auf einem Kinderstuhl. Die Stimme des Kindes wurde durch das Brüllen und Fauchen eines echten Tigers ersetzt. Ein Ausschnitt des Videos ist auf Jarnos Website zu sehen: http://www.jarnovesala.com/tiger,_2008.html
Der Sound ist so präzise zu den Gesten auf dem Film synchronisiert, dass man unweigerlich glaubt, das Kind wäre derjenige, der die bedrohlichen Geräusche von sich gibt. Das harmlose Bild bzw. wie bei “Cry after Laughter” die auf den ersten Blick neutral erscheinende Figur steht im Kontrast zu der unheilvollen Emotion, die hier heraufbeschworen wird. Der Ton in Verbindung mit dem ungewohnten Bild vermittelt eine melancholische Stimmung. Es geht trotz aller Harmlosigkeit um Einsamkeit, Gefahr und Angst.

Im September 2011 habe ich im Atelier am Eck in Düsseldorf Jarno ́s Ausstellung Kadulle Kuului Tanssi – Der Tanz schallt bis auf die Strasse kuratiert. Es wurden 3 in Düsseldorf entstandene Arbeiten gezeigt:

Die intimste davon ist wie ein Still aus einem Film. Nur bei genauerer Betrachtung passiert etwas. Das Bild ist überwiegend dunkel. Man sieht einige wenige beleuchte Fenster und den halbdunklen Eingang zum Treppenaufgang des Nachbargebäudes des Gastateliers. Hinter einem der Fenster passiert ganz leise etwas: Kaum merklich beobachtet das Kameraauge wie ein Bewohner seine Geige nimmt und anfängt darauf zu spielen. Durch den nur über Kopfhörer wahrnehmbare Musik wird die Aufmerksamkeit focussiert auf einen inneren Ton. So wird eine zusätzliche Ebene erzeugt, die der Bild-Projektion eine gewisse Doppelbödigkeit verleiht.

Das Draussen- und Drinnensein ist auch Thema der Arbeit „Der Tanz schalltallt“. Gefilmt wurde von aussen durch das Fenster in den Innenraum eines Tanzsaales. Gestört wird der Blick durch den Lärm der vorbeifahrenden Autos. Von der Straße aus sind die Vorgänge im Gebäude nur schemenhaft zu erkennen. Die unscharf aufgenommene Szene entpuppt sich als Tanzstunde. Setzt der Betrachter den von der Decke hängenden Kopfhörer auf, verschwinden die diffusen Geräusche der Strasse und die Musik und die Stimmen der Tänzer werden hörbar. Plötzlich fühlt er sich in den Innenraum versetzt, er tritt ein in die Szene wie in ein Theater, nimmt teil am Gespräch und spürt den Rhythmus der Musik. All das geschieht während das sichtbare Bild gleich bleibt. Trotzdem ändert sich die Raumwahrnehmung radikal.

Das dritte Video in der Ausstellung wurde u.a. in der Heinrich-Heine-Allee in der Düsseldorfer Innenstadt gedreht. Eine Strassenbahn hält, Leute steigen ein- und aus und die Strassenbahn fährt wieder ab. In den nacheinander sich ins Bild schiebenden Bahnen tauchen abwechselnd eine Frau - Linda Hergarten (eine Studentin der Robert-Schumann-Musikhochschule, Düsseldorf) - und ein Mann - Jarno - auf. Setzt sich der Betrachter den Kopfhörer auf, werden die Strassengeräusche unterbrochen sobald einer der beiden ins Bild kommt. Dann wird ein leises Singen bzw. Summen hörbar. Einzig und allein durch den Sound, der nur durch den Kopfhörer zu hören ist, wird der Betrachter in eine neue Gemütsverfassung versetzt. Plötzlich ist er in der Strassenbahn und nimmt teil an einer sehr intimen Szene, dem leisen introvertierten Singen oder Summen eines Mitfahrers bzw. einer Mitfahrerin.
Während die sichtbare Umgebung gleich bleibt, wird es dem Besucher durch die Nutzung des Kopfhörers möglich, den Vorgang auf dem Videobild aus einem anderen Raumzusammenhang zu begreifen. Jarno Vesalas Arbeiten thematisieren den Raum, in dem sie sich befinden, indem sie erkennen lassen, dass der objektive Raum nicht unbedingt dem subjektiven Raumempfinden entspricht.
Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirk Wandsbek 
www.architektursommer.de
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