Der Markt für Drucken ist im Umbruch. Immer mehr wird individuell und in kleiner Auflage gedruckt und der Umsatz bei Zeitschriften und Zeitungen gibt nach. Aber das ist ein anderes Feld, das hier erwähnt wird, weil es durch Steigerung von Geschwindigkeit mit dem hier ausgestellten Thema verbunden ist und einige Aspekte durchaus erhellen kann. Hohe Auflagen und der Wettbewerb um Leser hat noch vor der Zeit des Internet die Kapazität der Druckmaschinen so stark bescheunigt, dass die Papierbahnen an der Grenze zur Überschallgeschwindigkeit über die Walzen laufen, so dass kleine Auflagen z.B. einer lokalen Zeitung mit 30 bis 40.000 Auflage in 20 Minuten gedruckt, geschnitten, gelegt und gebündelt ausgeliefert werden können. Beim Drucken geht es wie beim Autorennen und beim Fahren mit hohen Geschwindigkeiten um Präzision und Regelmäßigkeit. Und das Ganze stellt ein komplexes System dar, in dem jeweils Maschinenbau, Vertrieb, Infrastruktur und täglicher Konsum eine in alle Bereiche der Gesellschaft hineingreifende Wirkung entfalten.


3. Blut-, Verkehrs- und Datenströme

Doch bei den Echtzeitplastiken von Wilting geht es nicht um das Drucken, sondern er meint mit Maschine etwas anderes. Das verrät die Abbildung auf der Einladungspostkarte, die ein graues Kombi mit einem roten Gebilde auf dem Dach zeigt. Es handelt sich um das Fahrzeug, mit dem er täglich von Köln nach Heidelberg und wieder zurück fährt. Nur das Auto als
Maschine zu bezeichnen, wäre zu einfach. Man muss das Objekt auf dem Dach dazunehmen, das aussieht wie eine stark vergrößerte Gewebeprobe. Mit dieser Montage wird das Fahrzeug, das in einer alltäglichen Situation fotografiert worden ist, seiner Fahrzeugwirklichkeit als Industrieprodukt enthoben und kann nicht mehr als Authentisches gelten, das mit einem Parkplatzschnappschuss fotografisch festgehalten wurde. Dokumentiert wird eine Szene, vielleicht eine Pause, im Laufe eines Arbeitstages, der darin besteht, Blutproben in ein Labor zu transportieren. Dieser Job ist Broterwerb aber nur bedingt grundlegend für die künstlerische Arbeit, die dennoch mit seiner Kunst als Fahrer zu tun hat, weil sie nicht von der Lebenspraxis zu trennen ist. Seine Tätigkeit als Fahrer, die ihm die Regelmäßigkeit eines Metronoms aufzwingt, führt jedoch parallel zu neuen Einsichten, die sporadischen Nutzern von Autobahnen verschlossen blei- ben. Der tägliche Aufenthalt zu bestimmten Zeiten auf denselben Auto- bahnabschnitten bringt ihn unter die anderen Berufskraftfahrer, die das Verkehrssystem ebenfalls mit großer Konstanz benutzen, damit die jeweilige Fracht termingenau abgeholt und geliefert werden kann. Es ist hier also naheliegend, diesen gesamten Zusammenhang als Maschine zu erörtern. Michel Foucault folgend, könnte man das ganze als ein Dispositiv5 - konkret als ein Verkehrsdispositiv - bezeichnen, das die Summe von Produktionsbedingungen und gesellschaftlich notwendiger Arbeit in sich vereint und zugleich mit einem wissenschaftlichen und verwaltungstechnischen Überbau verknüpft ist, der die entsprechenden Abläufe, steuert, erforscht, optimiert und profitabel nutzt. Das Ganze ist hochgradig funktional und staatlich kontrolliert. Das erklärt die Regelmäßigkeit,

5 Hier handelt es sich um ein Dispositiv im Sinne von Foucault. Obwohl er den Aspekt der Objekte, der Maschinen und Hardware in dem Zusammenhang seinen Untersuchungen über institutionelle Machtausübung vernachlässigte, ist dieser Begriff hier angemessen. Ich bezieht mich auf Giorgio Agamben: Que cos’è un dispositivo? Rom 2006, dt.: Was ist ein Dispositiv? Zürich, Berlin 2008, der sich auf ein Zitat von Foucault in einem Gespräch von 1977 bezieht, das den Begriff wie eine Definition zusammenfasst. (S. 7-8) Als Gegenstand zog Foucault Architektur in betracht, doch zeigt sich, dass besonders Autos in ihrer Dynamik auch außerhalb der Architektur noch viel stärker Bedienungsmöglichkeiten implizieren und multiplizieren, die bestimmte Verhaltensweisen erforderlich machen und so Strukturen nicht nur formieren sondern auch verbreiten helfen, welche die dazugehörenden Interessen begünstigen, wodurch sie zur Instrumentalisierung von Individuen und Gesellschaften beitragen.
Die 1. Ausstellung Jahresprojekt HYBRID,   EINSTELLUNGSRAUM e.V.
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