die Bilder sortiert, gedanklich miteinander in Beziehung setzt und assoziativ belegt, bereitet er sich darauf vor, die Welt wahrzunehmen und mit den Bilder in Abgleich zu bringen. Mitunter werden die Bilder, an denen er seine Wahrnehmung geschult hat, sogar bestimmen, was er wahrnehmen wird.

Da Bilder vervielfältigt werden können und deshalb für jedermann verfügbar sind, bilden manche von ihnen auf diese Weise die Bausteine einer kollektiven Wirklichkeit und eines kollektiven Gedächtnisses und werden so zu global verstandenen, massiv mit Bedeutung aufgeladenen Symbolen.

Gleichzeitig können diese Geflechte von Bedeutung, deren Knotenpunkte bestimmte Bilder sind, als alternative, weil vorstellbare Wirklichkeiten empfunden werden, die so dicht sind, daß sie in uns ein Gefühl von Hyperrealität auslösen können. Dies gilt vor allem für Bilder, die uns in der Kindheit als getreues und vollständiges Abbild der Wirklichkeit gegolten haben. Während wir älter werden, drängen wir diese Bilder für gewöhnlich zurück und verbannen die sie umgebenden Bedeutungsgeflechte in die Regionen des Traums, des Märchens und der naiven utopischen Visionen.


Da Bilder vervielfältigt werden können und deshalb für jedermann verfügbar sind, bilden manche von ihnen auf diese Weise die Bausteine einer kollektiven Wirklichkeit und eines kollektiven Gedächtnisses und werden so zu global verstandenen, massiv mit Bedeutung aufgeladenen Symbolen.

Gleichzeitig können diese Geflechte von Bedeutung, deren Knotenpunkte bestimmte Bilder sind, als alternative, weil vorstellbare Wirklichkeiten empfunden werden, die so dicht sind, daß sie in uns ein Gefühl von Hyperrealität auslösen können. Dies gilt vor allem für Bilder, die uns in der Kindheit als getreues und vollständiges Abbild der Wirklichkeit gegolten haben. Während wir älter werden, drängen wir diese Bilder für gewöhnlich zurück und verbannen die sie umgebenden Bedeutungsgeflechte in die Regionen des Traums, des Märchens und der naiven utopischen Visionen.

Die Speicher, in denen diese Bilder und ihre Bedeutung aufbewahrt werden, sind unsere Gehirne, unsere Erinnerungen, unsere Identitäten, denn wir sind das Resultat all dessen, was wir gedacht haben. Doch ist es möglich, wie aus einem Kornspeicher das Korn, aus einer Batterie den Strom, oder aus einem Archiv ein physisches Bild, auch ein derart mit Bedeutung aufgeladenes inneres Bild wieder hervor zu holen? Ist also eine faktische Freisetzung und Aneignung der ins uns gespeicherten Erinnerung möglich?

An diesem Punkt möchte ich zur Arbeit „Winter Landscape“ von Sho Hasegawa kommen.

Als er seinen ersten Winter in Deutschland erlebte, war er mehr als erstaunt, daß die Kinder, selbst in der Stadt, mit größter Selbstverständlichkeit zum Schlittenfahrern gingen. Noch mehr wunderte es ihn, als ein Mädchen ihm erzählte, es werde am Wochenende auf einem nahegelegenen See Schlittschuh laufen.


Für Sho Hasegawa war das Schlittschuhlaufen bisher eine ausschließlich Hallensportart auf Kunsteis gewesen. Das Eislaufen in der Natur gehörte für ihn in den Bereich der traumgleichen und märchenhaften Bilder, in den Bereich der Utopie, und war maßgeblich verknüpft mit einem Bild aus dem kollektiven Gedächtnis: dem Gemälde „Die Jäger im Schnee“ von Pieter Brueghel d.Ä., gemalt 1565, auf dessen rechter Bildhälfte eine detaillierte Eislauf-Szene dargestellt ist.

Tatsächlich ist dieses Bild auch für mich ein zentrales Bild meiner Kindheit gewesen. Es hing, seit ich mich erinnern kann, über meinem Bett neben Brueghels Kornernte. In beiden bin ich zahllose male in Gedanken spazieren gegangen und oft schienen sie mir vertrauter, konsistenter, umfassender und realer als die wirkliche Welt.

Daß diese verloren gegangene Welt von Pieter Brueghel plötzlich etwas sein sollte, das tatsächlich erfahrbar war, war für Sho Hasegawa fast unvorstellbar. Er faßte den Entschluß, diese unerreichbar geglaubte Wirklichkeit freizusetzen und sich anzueignen.

Und in diesem Moment sind wir wieder bei dem bereits erwähnten Problem angelangt, wie es möglich sein könnte, diese zwar gespeicherten, aber dennoch flüchtigen und immateriellen Bilder und die damit verbundenen Empfindungen aus einer nur imaginierten Wirklichkeit in die erlebte Gegenwart zu transferieren und ihrer habhaft zu werden. Der Prozess, der durch diese Frage ausgelöst wurde ist so erstaunlich und komplex und ist zudem selbst integraler Bestandteil des Kunstwerks „Winter Landscapes“, daß es notwendig ist, ihn im Detail wieder zu geben.

Die erste Aufgabe, die sich Sho Hasegawa gestellt hat, bestand darin, sich Schlittschuhe zu entwerfen und anzufertigen, denn der schlichte Kauf von Schlittschuhen wäre viel zu profan und ästhetisch unangemessen für das Unterfangen, in den sensiblen und im hohen Maße persönlichen Unwirklichkeitsraum vorzudringen.

Die 06. Ausstellung im Jahresprogramm SPEICHERN | AKKUMULIEREN des EINSTELLUNGSRAUM e.V. 2016

Vernissage
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