GANGARTEN: Verdichtung des Jahresprogrammes  Schalten und Walten  des EINSTELLUNGSRAUM e.V.    
03.08.2012
                                                                                               


Foto Christine Biehler
(≈≈≈) Vorstellung eines Lehrprojekts im öffentlichen Raum

Am 27. Juni 2009 ziehen zweiundfünfzig Studierende des Studiengangs Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis bepackt mit kreuzförmigen Flössen, Aktionsobjekten, Megaphonen, einem Handtuchwagen und Proviantfahrrädern an die Brücke an der Universität Hildesheim und lassen Flussgefährte in die Innerste. Der kleine Fluss wird für einen Sommertag zum Schauplatz mobiler Aktionen zu Land und zu Wasser.

 

Man lässt sich in der Vorbereitung des künstlerischen Lehrprojekts zunächst von recht schlicht erscheinenden Fragen leiten: Wie kann man sich auf dem Wasser fortbewegen? Wie viele Luft gefüllte Plastikflaschen tragen eine Person? Welche Formen von schwimmenden tragenden Gefährten haben skulpturalen Eigenwert? Was passiert, wenn die Skulpturen, die im Wasser und in Bewegung sind, an Land gehen? Was kann man von der Stadt Hildesheim vom Fluss aus erfahren? Involvieren wir die Kleingärtner oder den Ruderclub, deren Gärten und Vereinshaus an den Flussufern liegen? Mit welchen Gesten begegnet man der Idylle des Auwaldes? Wie verändert sich die Wahrnehmung von Texten, wenn sie auf vorbeiziehenden Plattformen vorgetragen werden?


Nach einigen Wochen ist dann, tituliert mit dem Piktogramm (≈≈≈), eine "Ausstellung" zu erleben, die prozessual angelegt ist und nur für wenige Stunden - bis zur Endstation unter einer alten Eisenbahnbrücke - in sich verändernden Formen existiert. In einem Spaziergang entlang des Ufers war die gestaltete Situation mal karnevalesk, mal feierlich wie eine Prozession, die am Betrachter vorbeizieht, für ihn aus vielen Blickpunkten erlebbar.

 

In der Aktion spielen Flösse und neonorange bemalte "Schalten" eine wichtige Rolle, die Stäbe, mit denen man sich vom Grund abstoßen kann, um in Bewegung zu kommen.

Welche Fähigkeiten braucht man nun, um als Fährmann das Floß oder ein Boot über ein Gewässer zu "schalten"?

Christine Biehler: (≈≈≈) Flöße 2009   |  Foto: Christine Biehler
Fotos der Veranstaltung Ina Schlafke
Auszug aus dem Konzept 03.08.12

Grob gesagt, denken wir dabei an die Wechsel zwischen Schritt, Trab und Galopp der Pferde, die dann den Gängen im Auto oder anderen Fahrzeugen den Namen gaben.

Alle diese Bewegungen, Gangwechsel und die damit verbundene Aufmerksamkeit und Kommunikation, greifen in die "Verkehrsflüsse" ein und bewirken Beschleunigungen und Verlangsamungen bis hin zum Kollaps durch Unfall oder Stau. Die Aufmerksamkeit, die die Entscheidungen für die Gangwechsel bedingen, ist ja nicht mehr nur vom Gelände und dem Zustand der Straße abhängig, sondern in der Stadt auch von der Beobachtung, d.h. Beurteilung eines sehr komplexen Verkehrsgeschehens, in das sich Menschen, Eigenschaften und Temperamenten entsprechend einschalten.
Wie orientieren sich Menschen in der Stadt? Wie geschieht das Schalten im eigenen Kopf, das dann (auf welche Weise?) zum ,richtigen' Schalten im Auto führt? "Welche sensorischen und kognitiven Fähigkeiten benötigen wir dafür?" (...)
Die Urform der "Schalte", jener Stab, mit dem der Fährmann das Boot dirigiert, kehrt in abgewandelter Form in allen technischen Weiterentwicklungen von Schaltelementen wieder: Bei der Aufreihung der Zahnräder greift der Stab, der über dem Getriebe liegt, immer das entsprechende Zahnrad heraus, um die gewünschte Kombination aus Geschwindigkeit, Gelände/Kraftaufwand zu realisieren. .... Das Formenrepertoir ähnelt sich. Wie kommen diese Modifikationen zustande?

Elke Suhr, unter Verwendung der Protokolle der Vorstandssitzungen des EINSTELLUNGSRAUM e.V., 2012
 
Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirk Wandsbek
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