In dieser Ausstellung ist es das klassische Verhältnis von Flächen und Körpern, das den Umfang der Bildenden Kunst von der perspektivischen Illusion bis zum Objekt und zur Installation betrifft. Unter der Vorgabe der Bewegung im Raum ist es weiterführend, den Karton als Umverpackung und somit nahezu universelles Gebinde zu befragen. Mit Quader oder Würfel haben wir geometrische Körper vor uns, die zwischen Dynamik und Statik angesiedelt sind. Das wird für den Würfel auch auf der sprachlichen Ebene deutlich, denn der Begriff ist vom spielerischen Werfen der Miniaturen dieser Körper abgeleitet. Man kann sie ein Stück weit rollen, bis sie auf einer der sechs Seiten definitiv liegen bleiben. Das geht mit einem Tetraeder nicht. Er ist ein Körper mit großer statischer Beharrlichkeit und  bleibt auf einem der gleich- seitigen Dreiecke liegen, wenn er gefallen ist. Der nächst höhere Polyeder, der Oktaeder, würde zwar noch leichter rollen, doch wären seine 8 dreieckigen Flächen schlechter überschaubar. Der Dodekaeder mit seinen 20 Fünfecken nähert sich schon der Kugel und würde von der Spielfläche rollen.

Aus der Reihe der fünf platonischen Körper ist also der Würfel nicht nur besonders universell, sondern verkörpert in seiner Form auch die Prinzipien von Statik und Dynamik auf einem kleinsten Nenner. Der Würfel und der davon abgeleitete Quader sind daher auch seit der Zeit der Kutschen bis heute eine Grundform für Fahrzeuge und Transportbehälter aller Art.


Im shared space verbinden sich Statik und Dynamik nicht nur durch das Verhältnis von Bewegung (fließender Verkehr) und abgestellten Gegenständen (Stadtmöblierung). Statik und Dynamik bestimmen auch den Tageslauf eines jeden Menschen, dessen Bewegungen an dem Ort beginnen und enden, an dem er sich zum Schlafen niederlegt und aufsteht. Für eine wachsende Zahl von Menschen sind jedoch die Schlafplätze, die abends eingenommen werden, nicht identisch mit denen, auf denen man am Morgen zuvor sein Haupt erhob. Das betrifft traditionell Nomaden, Krieger und Reisende sowie Migranten und Vertriebene. Dazu kommen heute in zunehmendem Maße Menschen, die beruflich unterwegs sind: darunter das Personal der Massenverkehrsmittel, des Showgeschäfts, der Theater- und Filmindustrie sowie Journalisten, Sportler, Saisonarbeiter und viele andere. Nicht zu vergessen die wachsende Anzahl von Wohnungslosen. Viele Trucker, Camper

und Seeleute nehmen eine Sonderrolle ein, weil sie zwar unterwegs sind, jedoch ihre Kojen in ihren Fahrzeugen mitnehmen. Alle die nicht jeden Abend ihre Ohren auf denselben Schlafplatz legen können, müssen sich mit der Vertauschung von Statik und Dynamik auseinandersetzen. Neben einer Mehrheit von Men- schen, die mit relativ wenigen Tapetenwechseln auskommen, wächst die Zahl von Menschen, die unterwegs sind, um die eigenen und die Bedürfnisse der Sesshaften zu befriedigen. Touristische Dienstleister sorgen für die krassesten Formen von Mobilität und Unterhaltung. Es geht nicht mehr unbedingt um Reisen zu Orten, sondern um statischen Komfort während des bloßen Unterwegsseins. Diese Pseudomobilität und Unterhaltung für Reisende auf Kreuzfahrtschiffen ist eine Weiterentwicklung von Transporten an stereotype Urlaubsorte, in denen heimatliche Bedingungen den Ortswechsel verschleiern.

4.  Relevanz:
Risiko statt Routine
AMBULANTE SCHLAFPLÄTZE
 
Die Orte, an denen man sich außerhalb seiner vier Wände zum Schlafen niedergelegt hat, verschwinden mit der Weiterreise am Horizont. Sie werden verlassen und stehen möglicherweise schon am folgenden Tag anderen zur Verfügung. Sie stellen keinen festen Bezugspunkt dar, wie eine Wohnstatt. Durch Aufenthalte an solchen ambulanten Orten können sich die gewöhnlichen Verhältnisse von Sesshaften umkehren. Die Orte sind temporär, während sich der Zustand der Bewegung, der Aufenthalt in einem Verkehrmittel, die Begleitung durch das Reisegepäck oder die Fortbewegung durch Maschinen und die eigene Muskelkraft als stetig erweisen.

Es sind die wechselnden Bedingungen, die einen Reisenden oder einen Besucher, besonders nah an dienenigen Bedingungen und Regeln heranführen, die im öffentlichen Raum herrschen, und in Alltagsroutine unbemerkt bleiben. Das erhöhte Risiko schärft die Aufmerksamkeit und erhöht die Bereitschaft, den Anderen wahrzunehmen. Je weniger Strukturen einen Menschen auf einer Reise begleiten, desto stärker suchen dessen Sinne nach Anhaltspunk- ten in der Umgebung. Wenn nichts mehr selbstverständlich ist, hält jede Person Ausschau nach Orten zum Ausruhen, zum Essen


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Vernissage
Diese Ausstellung ist die 03. im Jahresprojekt shared space 2009 des EINSTELLUNGSRAUM e.V.
Gefördert von der Behörde für Kultur, Sport und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirksamt Wandsbek