oder zum Schlafen, die gewöhnlich festgelegt sind. Ohne den Halt, den Gewohnheiten bieten, sind Idealbedingungen für das gewünschte Verhalten im shared space gegeben, wo von jedem Menschen Aufmerksamkeit für das Räumliche und die anderen VerkehrsteilnehmerInnen gefordert wird.

5. Realität
FÜHRSTRICKE IM VERKEHR

Bis heute kann die Aufmerksamkeit von Reisenden immer noch als eine zureichende Bedingung unterstellt werden, obwohl davon auszugehen ist, dass sie im Verschwinden begriffen ist, denn immer häufiger finden Reisende in Fahrzeugen und Unterkünften stereotype Umgebungen, sogenannte Standards vor, die indivi- duelle Orientierung verwischen und Ortskenntnis dispensieren. Eine weitere Bequemlichkeit liefern die elektronischen 'Führsticke', durch die sich eine wachsende Zahl von Reisenden begleiten lässt.  
Wenn sie 'auf Achse' sind, sind sie zugleich auch 'am Draht'. Zunächst waren es die Tiere wie Ochs und Esel, die sich weigerten, dem Willen der Menschen zu gehorchen, die sie für ihre Arbeit einspannten. Deren Instinkte brachen die Ackerbauern und Nomaden mittels Fesseln, Zügeln und Nasenringen, um sie zu ihren Zielen zu zwingen. Hierin liegt eine unbeachtete Subge- schichte der zahlreichen Kommunikationssysteme, mittels derer heute nun Menschen und Waren automatisch durch Programme zu Zielen gelenkt werden. Deshalb stellt sich die Frage, wessen Ziele eigentlich angesteuert werden?

Reichte es bisher, Augen und Ohren offen zu halten, Passanten anzusprechen und einen Stadtplan zu studieren oder einfach der Nase nach zu gehen, um sich in der Fremde zurecht zu finden, so gibt heute ein GPS-Gerät die Richtung vor. Schon allein weil der Verkehr flüssig gehalten werden muss, ist es nicht opportun, einfach auf der Fahrbahn stehen zu bleiben, um nach dem Weg zu fragen. Außerdem sind nicht überall Fußgänger anzutreffen oder dort, wo sie massenhaft laufen, hat man ihre Wege von denen der Autofahrer abgeschnitten.

Genau das soll die Einführung von Gemeinschaftsstraßen, von shared spaces ja ändern; doch scheint es, dass es unter den
egebenen Bedingungen eine nostalgische - und in den Städten ja äußerst begrenzte - Veranstaltung wird, die vielleicht den durch elektronische Führstricke geschaffenen Mangel an direkter Kommunikation und aufmerksamer Präsenz kompensieren möch- te. Dabei sollte es doch weniger um Fortbewegung, denn um die gemeinsame Nutzung von Grund und Boden gehen.

GPS hat derweil nicht nur die zwischenmenschliche Kommunika- tion suspendiert, sondern auch das Gottvertrauen gestört, mit dem man sich in Zeiten des Kutschverkehrs auf den Weg gemacht hat. Seine Stelle nehmen automatisierte Steuerungsverfahren ein, denen nicht nur Geld geopfert wird. Viele haben jetzt so ein blau schimmerndes Bild im Auto, und es scheint, als habe dieser kleine Reisealtar die ans Armaturenbrett geklebte Christophorus- Plakette abgelöst. Die magischen Gegenstände im Verkehr machen greifbar, dass das Vertrauen in Elektronik den Glauben an metaphysische Mächte abgelöst hat. Vorbereitet wurde dieser Führungswechsel durch die Symbolik der Leitsysteme, die vor etwa einem Jahrhundert durch Verkehrszeichen eingeführt wurden und zum Allgemeingut geworden sind. Eine Führerscheinprüfung rückt entsprechend an die Stelle der Firmung oder Konfirmation, insofern der Verkehr zunehmend den Stellenwert einer Religion einnimmt. Das zeigt sich schon daran, dass das Wissen um die Verkehrsregeln und die Bedeutung der Schilder die Kenntnis reli- giöser Regelwerke sowie die dazugehörige Zeichen- und Symbol- sprache verdrängt hat.

Es ist nicht nur das Andreaskreuz, womit das Attribut eines Heiligen - also das Werkzeug seiner Hinrichtung - es unmittelbar an die Kreuzungen zwischen Schienen- und Straßenverkehr ge- schafft hat; es sind auch inoffizielle Verkehrszeichen wie die Kreuze, die überall entlang der Straßen an Unfallorte mit Verkehrstoten erinnern. Diese Verkehrsopfer sind an die Stelle von vorzeitlichen Menschenopfern getreten. Infolgedessen kam es zu einer Erneuerung blutiger Ritual, welche aktuell nun in der Unfall- und Transplantationschirurgie praktiziert werden.

6. Utopie
Freie Platzwahl "Traurige Tropen"

"Traurige Tropen" heißt das Wandobjekt von Eckstein in

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Vernissage
Diese Ausstellung ist die 03. im Jahresprojekt shared space 2009 des EINSTELLUNGSRAUM e.V.
Gefšrdert von der Behšrde fŸr Kultur, Sport und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirksamt Wandsbek
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