Alles im Fluss? Eine Reflektion

Vier Wochen später verwendete man eine beheizte Version und gab den Menschen das Gefühl, kein kostbares Öl ginge mehr verloren. So gewann man Zeit, um die Beherrschung von Lecks in solchen Tiefen besser zu studieren.
Am 18. Mai holte man nun zum eigentlichen Schlag aus: Mit „Top Kill“ sollten Schlamm, Gummireste und Faserabfälle in das Bohrloch gedrückt werden, um es zu verschließen.3
Was, so frage ich mich, soll dies martialische Metapher bewirken? Um eine Antwort zu finden, möchte ich ein wenig ausholen und werde einen Ausflug über die Etymologie der Worte und die Griechische Mythologie bis zur Geschichte des Fließbands machen.

Il. Wandlung und Verdrehung von Begriffen

1.    Leck


Leck bedeutet seit dem 16. Jhd. unverändert „undicht“. Verwandt ist das Lecken mit der mhd. Bedeutung des Benetzens.

Lecken ist ein Wort, mit dem das Auslaufen bei Undichtigkeit eines Gefäßes aber auch das Anschlagen von Wellen am Ufer bezeichnet wird. Das Wasser leckt bei gelindem Wellengang am Land, bei aufgewühlter See schlägt es zu. Hier haben wir eine Analogie zum Essen. Die Zunge leckt um zu probieren, und wenn es schmeckt, beißt man zu. Diese Verbindung zu Nahrungsmitteln wird die spätere Argumentation unterstützten.

Ein Leck ist eine substanzielle Erfahrung für ein Schiffsbesatzung. Konnten Ritzen bei  Holzschiffen mit Werg gestopft werden, gefährden größere Lecks mit starken Wassereinbrüchen fast jedes Schiff. Ähnlich elementar sind Erfahrungen mit leckenden Gefäßen, aus denen bevorratete Substanzen wie Trinkwasser, Speiseöl oder Saft auslaufen.  In einer Subsistenzwirtschaft besteht dann Hunger- oder sogar Lebensgefahr. Derartige Erfahrungen sind einer Überflusswirtschaft abhanden gekommen. Ein bekanntes Lied: „Ein Loch ist im Eimer, im Eimer ein Loch (...)“ reflektiert dies. Der Refrain lautet: „Dann stopf es, lieber Heinrich, dann

stopf es, das Loch!“ zeigen das gebotene Mittel an, um schlimmeres zu verhindern.

Das Stopfen ist übrigens der Wortstamm für STOP!
Mit diesem elementaren Appellativ wird bis heute einem Vorgang Einhalt geboten, um Gefahren abzuwehren. Im Straßenverkehr steht es auf dem wichtigen Schild, das ausdrücklich verlangt, dass gehalten werden muss, um kein Leben zu gefährden. Auch hier bleibt das ursprüngliche Bild übrigens bewahrt, denn die allgemeine Metapher sieht den Verkehr als etwas Fließendes.

2.    Spill

Spill bedeutet Lache und Sturz, bezeichnet also das, was herausgeflossen ist, nachdem etwas verschüttet (to spill) wurde. Eine weitere Übersetzung mit „Sturz“ offenbart das Bild für ein plötzliches Ereignis, wenn etwa ein Schwall herabstürzt, wie das bei Sturzbächen oder Bergstürzen der Fall ist oder wenn ein Mensch Blut spuckt und man von einem Blutsturz spricht.

Es handelt sich um eine Lache, wenn wenig austritt, wie bei einer „Pfütze“. Doch kann diese auch in der mhd. Bedeutung „laca“ etwas größeres wie einen „See“ meinen. Hier liegt auch die Wurzel des Englischen „lake“.
Im Deutschen ist das Spolkern, also das Schlabbern, das soviel wie überschwappen bedeutet, damit verwandt. Darin steckt wiederum das Englische „to spoil“, was durcheinanderbringen bedeutet. Das kann im aktuellen Fall von Ölverschmutzung im Wasser das Mischen von Wasser und Öl zu einer Emulsion kennzeichnen. Eine solche unterseeische Mi- schung von Meerwasser und Rohöl bildete sich durch den hohen Druck des ausströmenden Öls oder wurde durch Chemikalien herbeigeführt, von denen man sagt, sie würden das Öl binden. Die Emulsion ist gewünscht, um die Verschmutzung im Meer zu halten, wo ölverzehrende Bakterien das Öl besser abbauen können, wenn die Öloberfläche vergrößert ist. Allerdings wurde am 16. Mai 2010 von Meeresbiologen auch beobachtet, dass in einer gigantischen, 16.000 x 6000 x 100 m ausgedehnten Emulsionswolke eine große Zahl von Meereslebewesen rettungslos verloren ist.
3   Quelle: http://www.sueddeutsche.de/wissen/oelpest-am-golf-von-mexiko-bp-scheitert-mit-aktion-top-kill-1.951760
vom 30.05.2010 (10.09.2010)

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