Die Daimler-Zeichnungen aber fungieren in unserem Falle als Brücke zwischen dem Erfinder und den Künstlern.  Sie rezipieren Daimlers Skizzen nicht als technische Zeichnungen und Informationen, sondern als ästhetisches Zeichen und lassen sich von der Differenz zwischen Zeichen und Bezeichnetem, von der Doppeldeutigkeit des ästhetischen Musters ihrerseits zu einem schöpferischen Akt in der jeweils eigenen, künstlerischen Arbeit inspirieren.
Die mythologische Figur des Prometheus, an der Grenze zwischen Göttem und Menschen
brachte den Menschen nicht nur das Feuer, sondern, durch die Göttin Athene befähigt, gilt er als Urvater der Künstler, der alle Künste und Techniken beherrschte.  In seiner Gestalt verkörpern sich Sammeln, Forschen und Gestalten als Einheit.  In einer Art prometheischen Praxis, auf die Horst Bredekamp in seiner Arbeit "Antikensehnsucht und Maschinenglauben" rekurriert, hat der DaimlerKreis den Einstellungsraum in eine impulsgebende Kunst- und Wunderkammer verwandelt.  Hier wird die verlorene Einheit von Kunst und Technik, die theoretische Reflexion mit der Arbeit am Material und die Auseinandersetzung zwischen Wissenschaft und Kunst in einer Art Werkstatt- und Laborsituation eingefordert und vorgeführt.

Im Keller hat Elke Suhr mit ihrer Installation eine Art unterirdische Laborhöhle gestaltet.  Der Raum ist zweigeteilt: Im vorderen Bereich gelangt man in ein Archiv oder beziehungsweise in einen musealen Gedächtnisraum.  Er ist den prometheischen Erfindern und dem Element des Feuers gewidmet, das sie im Motor zähmen und den Menschen dienstbar machen.  Eine große Tafel zeigt Nicolaus Otto mit seiner Erfindung, dem atmosphärischen Flugkolbenmotor. 

Die Künstlerin konfrontiert diesen mit dem alchemistischen Kosmos- und dem Läuterungsschema von Thomas Norton von 1477 und entdeckt frappante Analogien.

Beim Ottomotor sitzt auf einer säulenartig verbrämten Zylinderkonstruk- tion das Schwungrad. In dieser vertikal ausgerichteten Konstruktion wird der Kolben im "Arbeitsspiel" durch die Explosion nach oben geschleu- dert und saust wieder nieder.
Die Künstlerin erkennt alte neoplatonische Denkmuster wieder, die sich ihrer Ansicht nach im Motor materia- lisiert haben, wie das ewige "Stirb und Werde" oder die Läuterung vom Materiellen zum Spirituellen, das Streben zum Licht.  Der Kolben im Zylinder der Maschine vollzieht diesen Weg der senkrechten Bewegung von unten nach oben und zurück unermüdlich, im Gleichtakt - einen Weg, für den der Mensch ein Leben lang braucht.

In einer zweiten Tafel sieht man Gottlieb Daimler mit seiner Erfindung und Weiterentwicklung des Motors, "der Standuhr".  Das Bild hat sich verändert.  Das Schwungrad ist nach unten gerutscht und ist kleiner, wodurch die Mobilität ermöglicht wurde.  Ein Zeichen aus Daimlers Notizbüchern wurde für Elke Suhrs Interpretation in diesem Zusammenhang ausschlagge- bend.  Es zeigt einen kurzen nach oben und unten weisenden Pfeil mit der Bemerkung  "1/4 atmosphä- rischer Motor", eine Verkleinerung und Reduktion des Motors also.

Diese Veränderungen deutet sie als eine Abkehr vom kosmischen Prinzip, von Oben und Unten, hin zu einem mechanischen, erdverhafteten Prinzip.  Daimler wurde ja bei der Konstruktion der "Standuhr" tatsächlich von einer solchen angeregt, wie der Name bezeugt.
Im zweiten Teil des Raumes, der dem Element des Lichtes gewidmet ist, lenkt sie den Blick vom Archiv auf das Labor.  Eine Art Werkstatt- und Arbeitssituation wird vorgegeben.  An den Kellerwänden sind in Sütterlinschrift die Begriffe Saughub und Arbeitsspiel  angebracht, die hier für das Bemühen des Menschen um eine andere Ebene stehen.  Von oben fällt aus dem Lichtschacht grelles Licht ein, das auf Bildleitern fällt.  Diese Installationen setzen sich aus drei Teilen in verschiedenen künstlerischen Techniken - Fotos, Hand- zeichnung und computergenerierten Bildern - zusam- men. Über drei Ebenen erfolgt der Aufstieg - der "Saughub", vom Materiellen, von der Erde, zum Geistigen.  In diesen wird das klassische Modell der "Stufen der Erkenntnis" in einem Dreischritt symboli- siert.

Elke Suhr spielt mit Zeichen für Grenzen, Mehrdeutigkeiten.  Sie sieht in den Daimler Zeichnungen ein allgemeines Denkmuster, das sie in den

next
back