Aber zurück zu den Opfern. Die jungen Frauen sind nun also dazu abgestellt, der Erde Opfer zu bringen. Aus bevölkerungspolitischen Beweggründen, wäre es fatal, tödliche Opfer zu verlangen. Die Gesellschaft wäre schön blöd, ihre knusprigsten Untertanen zu schlachten. Außerdem hätte sich andernfalls das Bevölkerungs-wachstum nicht so entwickeln können wie voriegend. Bei einem Wachstum von etwa 78 Millionen Menschen pro Jahr umfasst die Weltbevölkerung bis Mai 2007 rund 6,6 Milliarden Menschen. Derzeit leben etwa 6 Prozent aller jemals geborenen Men- schen (Wikipedia).

Also etwas Metaphorisches musste her. Tänze, z. B. tanzende Frauen, sehen gut aus. Tanzen auf Stoppelfeldern ist allerdings eine komplizierte Sache. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass man ein Stoppelfeld barfüßig nur schlurfend überqueren kann, also so, dass man beim Vorwärtsschieben des Fußes, die Halme niederknickt, auf denen man den Fuß absetzt. Tanzen kann man das nicht nennen, und wie ein Opfer sieht das auch nicht aus, man bemüht sich schlurfend ja gerade darum, eine Verletzung zu vermeiden.
Bei der kleinen Bronzefigur, die Elke Suhr in ihrer Ausstellung auftauchen lässt, sieht man nun das gespitzte Füßchen einer echten, also opfernden Stoppeltänzerin, 2500 Jahre alt. springend, angespannt mit großer Akkuratesse. Wenn der Künstler dieser kleinen Bronzefigur realistisch gearbeitet hat, muss man annehmen, dass die Fräuleins wirklich getanzt haben, und dann müssen ihre Füße sehr gelitten haben, auch wenn die gesamte damalige Bevölkerung sehr wahrscheinlich aus versierten, abgehärteten  Barfußläufern bestand. Sie haben auf den Feldern getanzt, bis die Füße bluteten, sehr heroisch - der Düngeeffekt ist dabei zu vernachlässigen, also kein unmittelbarer Effekt auf die Erde, aber eben ein mittelbarer. Nämlich Zufriedenheit bei allen, den Göttern ein Opfer gebracht zu haben und also weitermachen zu können wie gehabt. Können diese Opfer wegen Frauenmangels nicht ausgeführt werden, ist allerdings Holland in Not. Die stolzen Bauern sind nichts ohne die mitwirkenden Füße ihrer Frauen.
Die Sache mit den blutigen Füßen ist wohlbehalten angekommen im 21ten Jahrhundert.
Zur Zeit der Romantik steigerte man sich in Kunstmärchen von Aschenputtel bis zur Geschichte der kleinen Seejungfrau in eine wahre Hysterie weiblicher Füßigkeit hinein, immer im Hinblick auf die Macht, die Männer gegenüber Frauen auszuüben wünschen. Bei Aschenputtel erkennt der Prinz, oder vielmehr die Tauben, die es dem Prinz stecken, dass Blut im Schuh ist und es also nicht 'die Wahre' ist, die sich ihm in den gläsernen Pantoffeln präsentiert. Bei der Meerjungfrau opfert das Meerweibchen sein Wohlbefinden für ein paar Beine mit zierlichen Füßchen dran, die bei jedem Schritt schmerzen wie tausend Messerstiche, weil es sich in einen Zweibeiner verliebt hat. Das geht alles nicht wirklich gut aus: die böse Stiefmutter muss regelmäßig auf der glücklichen Hochzeit in glühenden Pantoffeln tanzen, bis sie tot ist.
In der Romantik häufen sich die unheimlichen Verwandlungen der Damen, Feen, Nixen, Hexen, Schneeköniginnen - unberechenbar und zauberkräftig. Meist verwandeln sie sich rechtzeitig wieder in ein putziges Hausmütterchen zurück -,  aber Obacht, das Ganze ist Ausdruck der zunehmenden Verunsicherung der Männer im Umgang mit den sich emanzipierenden Frauen, die sich sonderbar flexibel verhalten können im Gegensatz zu
den Männern, denn da tapert immer nur der Ritter durch den Wald und erledigt irgendwelche Aufgaben, neuerdings irritiert von Zauberkunststücken von Frauen. Aufgaben sind übrigens keine Opfer, sondern sehr geschäftsmäßig wichtige Sachen zur Selbstverstärkung, also Heldenbildung (zu vergleichen mit modernem Sport oder Wettkämpfen, bei denen das Publikum Wetten auf den Sieger abschließen kann). Die Ritter waren damals schon James Bond, waren es eben immer schon und wollen es auch gerne weiter sein. Letzter Brückenkopf dieser Fußentwicklung ist Freud mit seinem kuriosen Schuhfetischismus als Penisersatz für die Mutter - ich habs nie verstanden.


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