Aber nun bin ich im Jahr 2006 angekommen, mitten Unter den Linden, wo im Sommer ein "stilleto run" stattfand: Nur Frauen auf mindestens 7 cm hohen Absätzen, die um die Wette rennen. Der Preis 10.000 Euro für die Schnellste, medienmächtig ausgeschlachtet mit fabelhaft bescheuerten Bildern von langen, vorzugsweise nackten Frauenbeinen mit für Männer unvorstellbaren Folterinstru-menten an den Füßen - im gestreckten Galopp.
Ganz klar, da machte sich eine große Gruppe Frauen gleichzeitig zum Affen.

Es gab Anfang des 20ten Jahrhunderts auch schon solche Frauenwettläufe jenseits des Sports: die Hoppelläufe z.B. Der damaligen Mode entsprechend wurden bodenlange enge Röcke, die nur Trippelschritte ermöglichten, nochmals mit Schnü- ren zusammengebunden, so dass sich darin tatsächlich nur hoppeln ließ. Und dann 100 Damen auf einmal um die Wette hoppeln lassen - eine wahre Augenweide, aber kein Sport, das ist etwas für Heroen.
Natürlich ist das inszeniert von Männern, die sich das anschauen, Frauen dürfen aber auch gucken. Natürlich ist das auch für die Frauen lustig, die dabei mitmachen, Sackhüpfen ist schließlich auch noch mit 40 lustig.

Abgesehen von der konsumistisch, kapitalistischen Idiotie, die bestimmte modische Spezialitäten zu einem offenen Wettkampf formiert, der sonst ein sehr elegant subtiler sein kann, hat man es bei dem "stiletto run" mit einer grundsätzlich vergleichbaren Situation zu tun, wie bei den Stoppeltänzen.
Die Stoppel am Fuß, der Stöckel, ist bei längerem Stehen und Gehen schmerzhaft marternd, wird aber standhaft ertragen. Einen unmittelbaren positiven Effekt auf irgendwen kann man nicht feststellen, man zieht sich auf die Dauer allerdings verformte Füße und einen Rückenschaden zu.
Der mittelbare Effekt ist aber durchschlagend. Erst erfinden Männer für Frauen Schuhe, mit denen sie nicht so schnell weglaufen können, weder auf Wanderschaft oder sonst in unbekannte Gebiete. Dann kippt die Situation, und, obwohl sich an der physischen Tatsache, dass man mit den Dingern nicht laufen kann, nichts ändert, kann man feststellen, dass man Männer mit solchen Schuhen lächerlich einfach beeindrucken kann, allein, weil sie die Technik nicht beherrschen, darauf auch nur zu stehen.
Das Opfer, zu dem sich Frauen mit Stöckelschuhen entscheiden, ist also folgendermaßen verknappt: nicht für die Erde oder irgendwelche Götter und Göttinen opfert man seine unversehrten Füße, sondern berechnend für sich selbst, da die Kommunikation wahlweise abgekürzt, oder von vornherein eingeschüchtert ist und man sich in jedem Fall ungestört weiß, da die Männer die ganze Zeit auf die Beine starren. Man kann so* z.B. sehr geschäftig praktisch, so wie die Ritter im Wald früher, ein Auto durch den TÜV bringen, was objektiv betrachtet keinerlei Chancen auf eine positive Begutachtung hat. Man nennt das effektiven und optimierten Sexismus und so geht das sicher noch eine ganze Weile weiter.

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 * Waehrend ihres Vortrages ergaenzte Nora Sdun mit Gesten die Situation in
der imaginierten Werkshalle.