Anker
spezifischer Erinnerungen, an denen er das
Publikum durch seine Performances Anteil nehmen
lässt. Seine Performance zur Ausstellungs-
eröffnung machte erkennbar, dass besonders die
Erfahrung der Angst andere archaische
Verhaltensweisen weckte. Bisher selten oder kaum
bewusst wahrgenommene Geräusche und Laute von
Tieren werden als Signale wahrgenommen und auf
ihren Kommunikationsgehalt geprüft. Durch das
Alleinsein bedingt, öffnet sich hinter der
reduzierten sprachli- chen Artikulation eine
vorsprachliche Ebene. Zwar wird das Tagebuch noch
auf sprachlicher Ebene geführt, doch sind die
mitgeführten Gegenstände und die Namen der
Ortschaften erst nach der Wanderung gelistet
worden.* Die Sprache wird durch Müdigkeit,
Schweigen und die durch Wandern entstehende Leere
im Kopf, schmerzende Muskeln und Gelenke sowie den
Begegnungen mit Tieren zersetzt. Allerdings bleibt
das Verhältnis des Geschriebenen zum Erlebten
summarisch, weil Kommunikationsangebote jenseits
der Sprache die Tage bestimmen. In der Performance
werden sie als Laute, Gesten, Handlungen und
Metaphern geäußert, die den Performer wie einen
Verrückten oder Mondsüchtigen agieren lassen. III. Schamanistisches Eine starke Metapher der Angst teilte sich während der Performance durch die von einer Assistentin auf seiner Brust abgelegte Gehwegplatte mit. Die Schwere der Platte nahm ihm nicht nur die Freiheit des Atmens, sondern zerquetschte auch die mit schwarzer Flüssigkeit gefüllten Eier, mit der eine Art Rorschachmuster auf seine T-Shirt gedruckt wurde. Ein folge- richtiger, quasi automatisch3 hergestellter Hinweis auf die zu erschließen- den Quellen des Unterbewussten, die eventuell in Träumen, unter Stress und bei Langeweile zum Vorschein kommen. Die Handlung mit Relikten macht in der Performance diese archaische Ebene wahrnehmbar und setzt schließlich den technologischen Anker, das GPS-Gerät außer Kraft, |
durch
eine Utopie der umfassenden Bewegungsfreiheit
und der Aufgeho- benheit in der Natur zum
„Vor-Schein“4 kommt. In der Performance
klingt Schamanisches an, dem sich der Künstler
durch Handlungen näherte. Hervorzuheben sind die
Selbstkrönung mit dem an der Schädeldecke
sitzenden Geweih eines Rehbocks sowie die
anschließende Krönung eini- ger Anwesenden mit
eben diesem Objekt, das von seiner Position in
der Installation unter der Decke herunter
gelassen wurde. Diese Aktion wirkte wie eine
Segnung oder Initiation, die sich jedoch von
priesterlichen oder schamanischen Handlungen
insofern unterschied, als sie weder gesell-
schaftlich sanktioniert war noch sich der
Künstler selbst durch eine ent- sprechende
Initiation legitimiert hätte. Burmester, der
sich dessen bewusst ist, distanzierte sich
folglich durch ironisch zu verste- hende
Brechungen wie z.B. die Vermischung von Relikten
mit Talmi in den Vitrinen und im anschließenden
Interview von einer Übertragung der archaischen
Funktion auf ihn. Dennoch beinhalten sowohl die
Aktion wie auch die Aufbewahrung und Verwendung
von Dingen deutliche Anklänge an magische
Praktiken in der Auseinandersetzung mit der
Natur und mit den die naturwissen- schaftlichen
Einsichten übersteigenden Phänomenen. Diesen
zollt Burme- ster seinen Respekt; doch ist die
Durchführbarkeit von Schamanimus heute wirklich
versperrt, weil sich die Grundlagen der
Zivilisation geändert haben und ihm zu jedem
Zeitpunkt der Wanderung eine Rückkehr in die
Zivilisation möglich war?
Nicht zuletzt ist es ja heute eine Qualität der Künste, Möglichkeiten zu bie- ten, um überhaupt noch Kritik an vernunftbezogenen Wissenschaften und technokratischem Pragmatismus öffentlich zu artikulieren. Die Aktion mit der Gehwegplatte, die ein Abklatschbild hervorgebracht hat, legt zum Bei- spiel einen ein der Rationalität versperrten Rest von Formfindung offen, wie ihn Künstler seit Leonardo immer wieder für sich nutzbar gemacht haben.5 Nicht zuletzt bezogen viele Künstler ihre Kraft durch Aufgreifen von verschütteten Verbindungen zur schamanischen Praxis6. Sie bringt die |
* Siehe hierzu die Listen und das
Interview unter: http://blog.einstellungsraum.de 3 Im Sinne des von den Surrealisten praktizierten „Automatismus“, handelt es sich um intentionslose Artefakte. 4 Vgl.: Ernst Bloch 5 Mit einer solchen „Klecksographien“ spielt das Verhältnis von Irregulärem zum Erklärbaren in der Erforschung der Natur eine Rolle, die Hans Holländer untersuchte: Das Irreguläre, der Zufall und die sich selbst erfindende Natur, in: Die Erfindung der Natur (Ausstellungskatalog Hannover, Karlsruhe, Salzburg), Freiburg/Br. 1994, S. 114-121. |
6 Auseinandersetzung mit Tierlauten
und Aufsetzen der Rehbockstangen während der Performance
weisen deutlich auf den archaischen Schamanismus hin.
Joan Halifax: Shaman – The Wounded Healer, London 1982,
dt.: Schamanen, Zauberer, Medizinmänner, Heiler,
Frankfurt am Main 1983, S. 82/83. Gleichwohl sind die
Einschränkungen Burmesters zu akzeptieren, denn die
Bedingungen für einen Schamanismus sind in einer
hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaft nicht
diejenigen, die in nomadischen Gesellschaften mit
Schamanismus nachweisbar waren. Trotzdem haben gerade
Performance-Künstler immer wieder Anregungen aus diesen
archaischen Quellen aufgegriffen. Zu ihnen zählte nicht
nur Joseph Beuys. Dazu Ausführungen von J. L. Schröder:
Identität Überschreitung / Verwandlung; Münster 1990, S.
210 – 218. |
Performanz 03.02.2011
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Performanz 25.02.2011 |
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01. Ausstellung im Jahresprojekt Autos fahren keine
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