durch Zivilisation verdeckten und dennoch unaufgelösten Reste archa- ischer Praxis zum Vor-Schein und macht diese durch Handlungen, welche sich von der üblichen theatralischen Praxis entfernen, auch einem Publikum mitteilbar. Diese Performance vollzog die Reste eines Traums sowie die Parallelität von Archaik und Zivilisation in einer dem Publikum nach- vollziehbaren Weise. Neben dem Zeigen und der Inszenierung von Relikten sind es auch die oftmals unkontrollierten Bewegungsmöglichkeiten im Ablauf einer Performance selbst, die uns Versatzstücke liefern, die einen Eindruck der Ereignisse und Landschaften erzeugen, die kein Abbild sind, sondern eine Konstruktion. Diese erlauben es, im Korsett der Zivilisation auf den verschiedenen Vorstufen und Stufen der Anthropologie hin und her zu springen, wenn wir bereit sind, uns auf die durch das Feuilleton nur schwach kodierten Wege dieser Kunstpraxis einzulassen.

Anders als etwa auf einer Bildungsreise hat sich Burmester auf seiner Wanderung von historischen, kulturellen und geologischen Aspekten ferngehalten, weshalb besonders Dasjenige, was nicht der neuzeitlichen Gestaltung unterworfen wurde, über den Wandernden hineinbrach. Aus den Tagebuchaufzeichnungen geht hervor, dass sich die Gegend im Grenzland zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg als ein kritisches Gelände offenbarte. Hier häuften sich Irrwege, Knochenfunde und das Ge- fühl des Ausgeliefertsein nahm überhand. Gespräche verstärkten die Überzeugung, dass es Gegenden und Orte gibt, in denen Unklarheit und Verwirrung überhand nehmen können, wenngleich sich die Erforschung der Ursachen dem Projekts entzogen, wurden sie aber gerade durch die von einem Konzept geleitete Wanderung registrierbar.

IV. Die Wiederentdeckung des Raums in der künstlerischen Forschung

Kunst- und kulturgeschichtlich lässt sich zurückverfolgen, wie technische Neuerungen, also z.B. die Topografie die Wahrnehmung und Abbildung der
Landschaft beeinflusst haben. Neben der technischen Ausstattung, die für alle Landnehmer entscheidend ist, lässt sich aber auch eine Absetzbewegung erkennen, die mit künstlerischen Mitteln wie der Installation und Performance aber auch der Landschaftskunst über die technischen und wirtschaftlichen Aspekte hinausgeht, um zu einer sinnlich-imaginären

Betrachtung oder Erfindung von Elementen der Landschaft unter Einbeziehung von mythologischen Vorstellungen und solchen Phantasien, die man später romantisch nannte, zu kommen. Darin fließt zwar die Reaktion auf die Technologieentwicklung (Städtebau, Erzminen, Schiffe etc.) ein, doch scheint es so zu sein, dass die technologische Aneignung der Landschaft die Künstler dazu gebracht hat, davon unabhängig die Eigen- wertigkeit ihrer Mittel zu erkennen und sie dahingehend zuzuspitzen, dass sie im Licht der Innovationen ihren Blick auf scheinbar Nebensächliches und Abwegiges richten.7  Historisch war es die Formenvielfalt der Flora und Fauna in der Renaissance und die Beobachtungen von atmosphärischen Phänomenen wie Licht und Wetter, die jeweils neue Erkenntnisse vorberei- tet haben. Mit künstlerischen Mitteln wurden stets auch Forschungen (z.B. Leonardos Strömungsbilder und Goethes Wolkenstudien) betrieben, die mit der Aufklärung eigene wissenschaftliche Disziplinen wie die Strömungs- lehre oder die Meteorologie hervorgebracht haben.

Mit wachsender Kenntnis atmosphärischer Details und jahreszeitlich bedingter Verän-derungen konkretisierte sich die Landschaftsmalerei als Gattung der Malerei, bis ihre Sujets mit dem Impressionismus in Lichtpunkte, also Symbole für physikalische Phänomene, aufgelöst wurden. Spätestens hier geben die Maler ihre errungene Führungsposition in der Wissenschaft auf. Was sich dann zum Trotz Avantgarde nannte, steht nicht mehr an der Spitze der Wissenschaften, sondern praktiziert den freien Umgang mit den Ergebnissen der Technologie, die sich auch im Bereich der Bildproduktion infolge der Erfindung der Fotografie verselbständigt hat.



Obwohl Künstler von der technologischen Entwicklung getrennt worden sind und sie nicht die Ressourcen zu ihrer Entwicklung aufbringen können, finden technologische Bilder auch im Bezug auf Landschaft weiterhin starke Beachtung. Künstler setzten neue Technologien ein, weil sie ihnen hohe Aufmerksamkeit und weite Verbreitung sichern. Darüber hinaus bleiben aber weitergehende, gerade nicht durch technische Mittel zu erfassende Aspekte in der Darstellung der Landschaft von Interesse, weil Natur und Naturgewalten die Menschen je auf’s Neue herausfordern, sich draußen aufzuhalten und eigene Erfahrungen zu machen.

7 Holländer weist vor allem auf den Umstand hin, dass "Bilder erfunden werden können, noch bevor ihr Gegenstand entdeckt oder dem Künstler bekannt wurde." Siehe Anm. 5, S. 116

Performanz 03.02.2011                          
Performanz 25.02.2011
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