Die Wahrnehmung des eigenen Zustands ist für das Zustandekommen von Subjektivität und schließlich des Bewusstseins essentiell, denn Subjektivität entsteht, laut Antonio Damasio, aus den Bildern, die wir uns von unserem Körper als Ganzem machen, während er Sinneseindrücke aus der Außenwelt aufnimmt und zu inneren Bildern verarbeitet. Diese Bilder bzw. Körperkartierungen schließen sowohl die Wahrnehmung des Rezeptionsvorgangs selbst ein, sowie unsere körperlichen Reaktionen darauf. Bewusstsein bedeutet also die Wahrnehmung wahrzunehmen, wozu wir wiederum auf die Selbstwahrnehmung der Zellen und ihrer jeweiligen Milieus angewiesen sind .

Reflexion, Selbstbestimmung und Willen, die für das Erlangen von Autonomie unerlässlich sind, können, nach dem Stand der Neurowissenschaften, also nur innerhalb eines lebendigen, organischen Körpers entstehen.

Sehen wir uns aber den gegenwärtigen Gebrauch des Begriffes „autonom“ an, besonders im Schlagwort des „Autonomen Fahrens“, müssen wir feststellen, dass er nur wenig gemein hat mit reflektierter Selbstbestimmung von Organismen. Gerade bezüglich des sog. autonomen Fahrens muss geklärt werden, wer eigentlich durch computergesteuerte Fahrzeuge Autonomie erlangen soll: das Fahrzeug oder der Fahrer?

Verstehen wir es erst einmal so, als seien die Automobile gemeint, denn schließlich sind sie ja imstande zu fahren, ohne dass sich ein Fahrer aktiv in das Verkehrsgeschehen einmischt. Dass diese Zuweisung der Autonomie ein Irrtum ist, wird aber schon auf den zweiten Blick offenkundig. Zunächst ordnen sich die angeblich autonomen Mobile dem Fahrtwunsch ihrer Insassen unter, denn die Automobile haben keinen eigenen Handlungsimpuls. Desweiteren müssen sie sich den allgemeinen Verkehrsregeln unterordnen. Doch auch das geschieht nicht aus freiem Willen, sondern ist Teil ihrer Programmierung.

Alle weiteren Entscheidungen, die von ihnen augenscheinlich autonom getroffen werden, richten sich nach vorgegebenen Algorithmen und vom Menschen gesetzten Leitlinien. Ihre Fähigkeit zum Personentransport unter gleichzeitiger Wahrung der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer ist so lange
experimentell erprobt und von Menschen nachreguliert worden, dass sich die sog. Lernfähigkeit und der Entscheidungsspielraum nur in extrem engen Grenzen bewegen kann, die durchaus den Begriff des „Automatischen Fahrens“, niemals aber den des „Autonomen Fahrens“ zulassen.

Das Postulat der Autonomie entpuppt sich hier also als Etikettenschwindel, und dazu ist es noch nicht einmal notwendig, die zuvor erläuterten Voraus-setzung einer Körperlichkeit ins Spiel zu bringen.

Wie steht es also mit den möglicherweise erweiterten Freiheitsgraden der Passagiere eines computergesteuerten Fahrzeugs?
Natürlich ist zu erwarten, dass die Werbeindustrie vor allem darauf verweisen wird, dass der Mensch nicht mehr mit der lästigen Aufgabe des nerven-aufreibenden Fahrens im Stadtverkehr oder dem ermüdenden Abreissen von Autobahnkilometern belastet sein wird, um sich wertvolleren Tätigkeiten zu widmen. Doch zunächst findet nichts anderes statt, als die Suspendierung des Menschen in die Passivität.

Denn die reflektierte Selbstbestimmung kann sich nur im Handeln manifestieren, nicht aber durch die bloße Behauptung ihres Vorhandenseins. Nach Sartre gibt es kein Sein ohne Handlung, denn erst im Handeln wird Existenz evident. Auf diesen Umstand hat auch Nietzsche im Zarathustra auf poetische Art hingewiesen. Dort heißt es: „...dein Leib und seine grosse Vernunft: die sagt nicht Ich, aber thut Ich.“
Indem wir also das Handeln und damit unsere Entscheidungsfreiheit algorithmengesteuerten Automaten überlassen, geben wir unsere Autonomie auf. Und das geschieht nicht nur beim pseudo-autonomen Fahren.

Jedesmal, wenn wir uns im Internet bewegen, hinterlassen wir Datenspuren, die von den großen Softwarekonzernen ausgewertet werden, um unsere Entscheidungsmuster daraus abzuleiten. Das geschieht mit dem Ziel, unsere Entscheidungen vorauszusagen und dadurch schließlich überflüssig zu machen. Bevor wir ein Bedürfnis oder ein Verlangen verspüren, wird uns bereits eine sofortige Befriedigung des zu erwartenden Wunsches angeboten,
Präsentation Vernissage
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