wodurch es weder notwendig ist, uns selbst und unsere Bedürfnisse zu ergründen, noch sich auf die Suche nach einer Möglichkeit der Befriedigung dieser Bedürfnisse zu machen. Die Selbstbefragung und damit der Kontakt zu unseren Körpern, die der Ort sind, an dem unsere Gefühle sich ereignen, wird übergangen, um unser Potenzial zum Konsumieren so schnell und effizient wie möglich auszunutzen.
Dass von diesen Mechanismen der Fremdsteuerung nicht die Konsumenten profitieren, wie uns weißgemacht wird, sondern nur die digitalen Oligarchen, zeigt sich in solchen Trends, dass nahezu alle führenden Köpfe im Silicon-Valley ihren Kindern die Nutzung digitaler Medien strikt verbieten oder extrem einschränken.
Mit dem Prozess der Entscheidung und Selbstbefragung kommen wir noch einmal auf die von Adorno genannte Reflexion zurück, die sich in der Sphäre der Vernunft abspielt, die wiederum, laut Nietzsche, nur ein Anhängsel der großen Vernunft des Leibes ist .
Wenn wir uns selbst in der Reflexion befragen, um zu einer vernunftgesteuerten Entscheidung zu kommen, sind wir immer auf unsere Erinnerungen angewiesen und auf unsere Fähigkeiten, innere und äußere Ereignisse in chronologischen Kausalketten zu gliedern. Doch die digitale Welt ist nicht nur raumlos, sie ist auch zeitlos.
Weder altern die Dinge in ihr, noch sind sie raumzeitlich voneinander getrennt, sondern liegen immer nur einen Mausklick weit entfernt. Genauso wenig müssen wir unsere Erinnerungen ausloten, um zu ergründen, wessen wir bedürfen und warum, da die Algorithmen uns die Entscheidung ja bereits abgenommen haben. Die Verknüpfungen der fragmentierten Inhalte gründen sich zudem nicht auf Kausalitäten, die einem chronologischen, individuellen Denkprozess entsprechen, sondern gründen sich auf quantitative, statistische Werte, nicht aber auf ursächliche Zusammenhänge.
Mit dem Verlust der Erfahrung von Chronologie und Raumzeit verlieren wir also auch unser Bewusstsein für Ursache-Wirkungs-Verkettungen und dadurch auch die Fähigkeit, einem langwierigen, komplexen argumentativen Aufbau zu folgen. Durch diesen Verlust des Gefühls für Dauer und Vergangenheit, für Ursache und Wirkung, wird auch die Fähigkeit, neues Wissen zu generieren stark beschädigt.
Alles was bleibt ist die makellose Gegenwart des Konsums sich ständig anbietender, leicht verdaulicher Informationshäppchen, die ohne Kontextualisierung sogleich wieder im digitalen Nirvana verschwinden.

Der daraus resultierenden herabgesetzten Aufmerksamkeitsspanne entsprechend, hat Benedikt Brockmann den installativen Teil der vorliegenden Ausstellung in Form plakativer, visueller Metaphern gestaltet.
Im Zentrum sehen wir den Torso einer Schaufensterpuppe, die auf einen umgebauten Staubsauger-Roboter montiert ist. Dem Torso fehlen die Arme und Hände, also die prominentesten Werkzeuge des Menschen zu handeln. Die Herkunft der Schaufensterpuppe aus der Sphäre ökonomischer Zurschaustellung verweist wiederum auf die Bedeutung des Ausstellungswertes auf den, laut Byung-Chul Han, der einzelne Nutzer sozialer Netzwerke reduziert wird und sich selbst reduziert. Denn das Dunkle, Verworrene und Negative seiner Identität ist nicht schnell und einfach konsumerabel, weshalb es ausgeblendet wird.

Der offenkundige Freizeitlook der Figur deutet darauf hin, dass sie eigentlich kaum anwesend ist. Sie ist auf Urlaub und hat sich der alltäglichen Sphäre von Verantwortung und Sorge entledigt. Gleichzeitig aber hat sie sich auch selbst in die Passivität entlassen. Denn ihre Bewegung geht aus von dem sinnlos hin und her fahrenden Roboter, der geschredderte Datenschutzbestimmungen und AGB vor sich her schiebt.
Dieser Datenabfall wird ununterbrochen vom einem Aktenvernichter ausgespuckt. Die Texte, die er vernichtet, sind die allgegenwärtigen Informationen und Richtlinien, mit denen wir als Nutzer digitaler Angebote tagtäglich konfrontiert werden, die die meisten von uns aber ebenso notorisch ignorieren, obwohl gerade sie uns über den kontinuierlichen Verzicht auf Autonomie und die Preisgabe unserer Datensicherheit und Privatsphäre unterrichten. Wir schieben sie ignorant, blind und ungelesen beiseite und liefern uns damit einer stetig wachsenden Manipulierbarkeit aus.

Dieser Vorgang wird aufgegriffen von einer weiteren visuellen Metapher. Im Raum  sind weiße Netze installiert, gefüllt mit weißen Gehirnen aus Gips,
Präsentation Vernissage
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