dass wir Menschen mit Prognosen, Erinnerungen und dem Regulieren von zeitlichen Abläufen große Schwierigkeiten haben; denn es ist wohl so, dass wir für die Zeit keinen Sinn haben und vielleicht nicht einmal wissen, was Zeit ist. Insofern fällt uns die Verständigung darüber auch so schwer. Ich will damit nicht sagen, dass ich mich nicht erinnern könnte, um 19 Uhr hier zur Ausstel- lungseröffnung verabredet zu sein. Die meisten schaffen es schon, einen Terminkalender zu organisieren, aber eine große Zahl ist überfordert, wenn es in die Jahrhunderte und Jahrtausende geht.


Julian Barbour (The End of Time, 1999) behauptet, dass Zeit aus naturwissenschaftlicher Sicht eine Illusion ist. Wir benötigen Hilfskonstruktionen, um uns Zeit vorzustellen. Wir gebrauchen Raum als Metapher für Zeit, weil wir durch die Leistungen der Künstler seit 500 Jahren eine ganz gute Kompetenz erlangt haben, uns Räume vorzustellen. Wir sprechen also von Zeiträumen, aber wenn es darum geht, eine sehr große Dauer vorzustellen, die unser Leben und das von mehreren Generationen übersteigt, dann versagen auch diese Hilfskonstruktionen. So ist es bei Radioaktivität, wo es um Zeiten in der Größenordnung von Erdzeitaltern geht. Ich bezweifele, dass wir uns Jahrhunderttausende und Jahrmillionen tatsächlich vorstellen können.




Symbole und Metaphern der Geschwindigkeitsreligion

Ein Symbol für die Unendlichkeit, das in Japan ein Zen-Künstler mit Tusche malen würde, ist bei uns häufig auf Straßen zu finden. "Burn-Out" nennt sich ein Kreis aus schwarzem Gummi, den ein durchdrehendes Hinterrad unmittelbar auf die Asphaltdecke reibt, wenn ein Motorrad mit eingeschlagenem Lenker und angezogener Vorderbremse gehalten wird. Ein solches Ergebnis einer Vollgasfahrt auf der Stelle haben Ulli Falke und Carola Bahnmüller auf Folie übertragen und präsentieren ihren Abklatsch um 90 Grad gekippt an der Wand des Einstellungsraums. Es ist ein Zeugnis des Fahrzeugkultes, der ein Symptom für die Irrationalität des Fahrens ist; denn bei höchster Leistung keinen Meter voranzukommen, ist die grundlegende Idee von Rennen und unserer Kultur der schnellen Fortbewegung. Auto- und Motorradrennen werden auf kreisförmigen, ovalen, oder mit Kurven garnierten Bahnen ausgetragen. Ihr wesentliches gemeinsames Merkmal ist, dass Start und Ziel auf derselben Linie liegen, was dazu führt, dass Sieger wie Verlierer dort ankommen, wo sie losgefahren sind. Auf der Strecke bleiben allerdings die "Ausfälle" und "Unfallopfer". Bei diesem Opferritual wird kein Meter gewonnen, aber ein Paradox der Beschleunigung wird offensichtlich: Stillstand wird durch Beschleunigung abgebildet. Am Ende steht ein Kreis, eine Null: das Symbol der Unendlichkeit.

Im Zusammenhang mit Rennbahnen darf nicht übersehen werden, dass der Kies des Nachbaus der Notfallspur hier im  EINSTELLUNGSRAUM

Text Carola Bahnmüller
Weitere Bilder der Installation
Vernissage                                                                                                                                                                                
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