Kiesbett
und Atempausen Johannes Lothar Schröder zur Ausstellung BREMSVORTEIL von Ulli Falke und Carola Bahnmüller und zur Halbzeit des Jahresprojekts Über eine
Notfallspur sind Sie
als Ausstellungsbesucher gerade in den
Einstellungsraum gekommen. Ulli
Falke und Carola Bahnmüller haben ein Kiesbett, wie es
neben gefährlichen Gefällestrecken angelegt wird, im
Einstellungsraum
nachgebaut. Diese Miniatur einer Notfallspur
ist einer echten
nachempfunden, auf der Lastwagen einsinken können,
wenn bei einer
Bergabfahrt die Bremsen versagen. Aber es gibt Fahrer,
die wollen das
Geld für die teure Bergung sparen, und lassen es
rollen. Es ist bis
jetzt immer noch mal gut gegangen!, ist die
gängige Ausrede.
Der Titel der Ausstellung heißt BREMSVORTEIL und verspricht offensichtlich eine Antwort auf die Frage, was Verlangsamung bringen kann. Diese Frage stellt sich in einer Zeit, in der riskantes Verhalten und kollektive Risikofreude durch neoliberale Ideologie propagiert wird. Ihre Apologeten wollen glaubhaft machen, dass Atomkraftwerke geeignet wären, Kohlendioxid einzusparen. Populisten wiederum greifen solche Gedanken gerne auf, um entgegen einer sich abzeichnenden Verteuerung von Energie, ihre angebliche Verbilligung durch Atomstrom anzukündigen. Politiker gefallen sich als Magier, die meinen, sie kšnnten gegen alle Einsicht ein perpetuum mobile in Gang bringen. So wird noch einmal - wie schon vor 40 Jahren - für Atomkraft geworben, |
obwohl
noch niemand die entscheidende
Aufgabe gelšst hat, wo und wie radioaktives Material
über Zehntausende,
wenn nicht Hunderttausende oder Millionen von Jahren
sicher aufbewahrt
werden kann. Solche Zeiträume überfordern Menschen, die
ihre Mühe
haben, sich an Ereignisse zu erinnern, die ein Jahr,
Jahrzehnte oder
Jahrhunderte zurückliegen. Ja, es scheint, dass gerade
diese
Erinnerungsschwäche Menschen dazu bringt, kollektiv
Risiken einzugehen.
Kulturelle Maßstäbe ignorierend, fällt es ihnen
offensichtlich schwer,
sich vorzustellen, wie etwas heute Begonnenes zukünftig
aussehen
könnte. Die Vorstellungskraft ist eine ästhetische Kategorie, über die Kunst mit fast allen Bereichen des menschlichen Lebens, also auch mit dem Straßenverkehr, verbunden ist, was im Einstellungsraum Teil des Programms ist. Zeitdimensionen Als ich beim Aufbau der Ausstellung mit Ulli Falke und Carola Bahnmüller sprach, kamen wir auf das Thema Muße, die eine Vorbedingung der Vorstellungskraft ist und offensichtlich unter den Bedingungen der Beschleunigung mit den knapper werdenden Ressourcen schwer auszuhalten ist. Denn es ist ja paradox, dass man sich in der Politik ungebrochen für Wachstum als Mittel für und gegen alles einsetzt, obwohl schon in den 1960er Jahren der Club of Rome die Grenzen des Wachstums prognostizierte. Wachstums und Beschleunigungsprozesse machen deutlich, |
Text Carola Bahnmüller Text Carola BahnmŸller |
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