III. Auto als Waffe und Symbol
Was bedeutet ein brennendes Auto als Bild in diesem Zusammenhang? Das Auto ist eine Maschine, die Energie umwandelt. Es ist ein kleines Kraftwerk und deshalb ist es mit allen Problemen behaftet, die mit der Freisetzung von Energie verbunden sind. Diese ist jeweils dann zivilisiert durchführbar, wenn das katastrophische Potential der Energieerzeugung beherrschbar ist. Ein Steuerungsinstrument sind Bremsen, die allerdings selbst - direkt oder indirekt - zur Gefahrenquelle werden können, wenn sie heiß werden oder defekt sind und dadurch ein Fahrzeug direkt oder indirekt in Brand setzen. Zwar können auch Naturkatastrophen und Kriegshandlung wie Granaten- oder Bombentreffer ein Auto zerstören, doch geht die Mehrzahl zerstörter Autos direkt auf Verkehrsunfälle und Zwischenfälle im Straßenverkehr zurück. Wie ein Torpedo zu Wasser ist jedes Auto eine Trägerwaffe, da es Treibstoff an Bord hat, dessen Brisanz durch zusätzliche Sprengstofffracht noch gesteigert werden kann. In einer Autobombe gipfelt schließlich die banale Tatsache, dass Autos allein aufgrund ihrer Geschwindigkeit ein Gewaltpotential entfalten. Sie eignen sich für Anschläge, wobei das Wort „Anschlag“, das ein Synonym auch für Plakatwerbung ist, Krieg, Terror, Werbung und Propaganda etymologisch zusammen führt.

Ein Anschlag gegen die „gesellschaftliche Ordnung“ richtet sich immer auch gegen die Symbole einer Gesellschaft. Die Besonderheit der Verwen- dung des Autos liegt in der Tatsache begründet, dass es beiden Seiten angehört, weil es als Waffe gegen gesellschaftliche Werte eingesetzt wer- den kann, deren Symbol es ist. Es verkörpert die Mobilität und damit eine wesentliche Grundlage der Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft. Ihr Kult ist Motorstärke und Geschwindigkeit. Da die Dienstleistung ja ihre Profite nur indirekt aus der Produktion zieht, die im Idealfall ausgelagert worden ist, ist die Grundlage des Wirtschaftens mehr noch als in der Industriegesellschaft durch Ortswechsel und Geschwindigkeit gegeben.

„Verlagerung“ und „Auslagerung“ von Produktion waren übrigens schon im Zweiten Weltkrieg Bestandteil der Kriegsführung, während sie heute als Instrument im Wettbewerb um Lohnsenkung und Verschlechterung von Arbeitsbedingungen eingesetzt werden.

Der ständige und schnelle Wechsel von Orten, der den Mitgliedern der Gesellschaft abverlangt wird, nimmt einen zentralen gesellschaftlichen Rang ein, weshalb das Auto ein Symbol dieser Werte ist. Durch die Wahl des Autos als Waffe wird der Wert der Geschwindigkeit bestätigt, während er durch seine absichtliche Zerstörung bestritten wird. Auch aus diesem Grunde wecken die Bilder von Autowracks auf allen Ebenen Emotionen. Das Auto, seine Zustände und sein Schrott sind Ikonen unserer Zeit, ihrer Geschwindigkeit, ihrer Gewalt, ihres Stillstandes. Es polarisiert, wo die Predigt des „schnellen Geldes“ unterschlägt, dass das ungebremste Kapital die wirtschaftlichen Prozesse 'gegen die Wand faehrt' und die daraus resultierenden Schaeden an Leben und Sachen diejenigen durch kriminelle Gewalttaten verursachten uebertreffen oder diese verstärken und Kriege nach sich ziehen. Die leeren Städte und Landschaften Boués könnten Relikte gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Zusammenbrüche sein, die genauso nachhaltig wie Naturkatastrophen Leben zerstören.

IV. Massenprodukt wird Kult- und Ersatzbild
Die ästhetische Grundlage der künstlerischen Darstellung des Autos liegt darin, dass es sein eigenes Abbild ist. Als gestaltetes Objekt ist es eine Skulptur seiner selbst. Jede Abbildung ist deshalb tautologisch, denn Autos sind als Massenprodukt generell überall gegenwärtig, wäre nicht ihre endliche „Lebensdauer“. Verschleiß und Wandel ihres Äußeren erzeugen den Wunsch, den unversehrten Neuzustand durch ein Bild zu erhalten. Massenhafte technologische Produktion und Modellwechsel haben die Zucht - also die Steuerung der biologischen Reproduktion von Pferden - abgelöst, ohne die totemistische Verehrung zu überwinden, die bei den
alten Völkern den Arbeits- und Reittieren galt.
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Vernissage
Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirksamt Wandsbek
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