Landschaften
mit
Autobomben Johannes Lothar Schröder zu den Zeichnungen von Peter Boué, 2008 I. Schwarz-Weiß-Kontraste und keine Menschen Der
Einstellungsraum zeigt nach Installationen,
Performances, Fotografien und Videos nun Zeichnungen
zum Thema BREMSEN. Besonders auffallend ist der extrem
harte Kontrast dieser Blätter von Peter Boué, zumal
das Gegeneinander von Schwarz und Weiß durch die raue
Struktur des verwendeten Kartons zusätzlich verstärkt
wird, auf dem der schwarze Industriestift wie Ölkreide
haften bleibt, jedoch höher deckend, schnell trocknend
und abriebfest ist. Nur einige Zeichnungen, die mit
einem weißen Stift überarbeitet wurden, weisen
weichere Strukturen auf. Dabei erinnern die weißen
Höhungen an die Ergebnisse, die durch das für Schwarz-
Weiß-Drucke verwendete Duplexverfahren erzielt werden.
Überhaupt bemerkt man, dass uns die Unmengen farbiger Abbildungen vom Schwarzweiß entwöhnt haben. Die Technik der Zeichnungen wollte ich gleich eingangs klären, da sie für das Verständnis der Motive von großer Bedeutung ist. Die Blaetter zeigen unter anderem menschenleere Landschaften - jedoch keine Wildnis-, sowie Stadtlandschaften. Einige sind aus einer so großen Entfernung wiedergegeben, dass weder Fahrzeuge noch biologische Spuren erkennbar sind. Das Schwarz-Weiß, die harten Kontraste und das raue Papier verschlucken zwar viele Details, definieren jedoch Licht und Schatten, die großflächig eingesetzt werden, um Beleuchtungseffekte entstehen zu lassen, welche die Sujets dramatisch akzentuieren. Gleichzeitig wird so die Bestimmung der Größenverhältnisse erschwert, wozu auch die Aufsicht und die distanzierten Betrachterstandpunkte beitragen. Das Dargestellte erscheint ohne Atmosphäre und dennoch wird eine Stimmung erzeugt. Wir werden emotional angesprochen - und zwar durch die Leere. Geweckt wird ein Gefühl der Isolation und Verlorenheit. Das entspricht den technologischen Möglichkeiten, ohne Personal vor Ort Bilder aufzunehmen; |
schließlich können wir
Bilder sowohl von unseren Nachbarn wie auch von
unseren Nachbarplaneten bekommen, ohne dass sie
jemand besuchen muss. Es ist genau diese
Abwesenheit leiblicher Zeugen, die den Blättern
von Boué den Anschein von Lebensfeindlichkeit
gibt, und es sind die zerstörten Fahrzeuge, die
etwas Katastrophisches nahe legen.
II. Verwandlung von Energie Diese Stilmittel werden auch eingesetzt, um Autos - eine weitere Gruppe von Sujets - darzustellen. Hier erzeugt der Schwarz-Weiß-Kontrast zwischen Scheiben, A- und B-Säulen, Rädern und Karosserieteilen den Eindruck von Feuer, das im Inneren der Autos oder in der Umgebung lodert. Man kann nicht erkennen, was die Brände ausgelöst hat. Einige Licht- flecken lassen allerdings vermuten, dass es sich um Ausblasungen einer Sprengung handelt. Neben Silhouetten von Autos fallen auch Teile von Karosserien ins Auge, die von Sprengkegeln überstrahlt werden, sofern überhaupt noch Teile erkennbar waeren, welche kleiner sind als das grobe Korn des rauhen Papiers und sich deshalb der Abbildbarkeit mit dieser Technik entziehen. Dieses Detail macht auch deutlich, dass es hier um die Verwandlung von Materie in Energiezustände geht. Dabei spielt es keine Rolle, ob die zerschmetternde Gewalt von der Beschleunigung mittels Verbrennungsmotor, durch Beschuss, Brandstiftung oder durch die Explosi- on einer Bombe herbeigeführt wurde. Die beim Betrachten derartiger Landschaften und Szenen aufkommende Assoziation berührt ein Thema der Science-fiction: die Entmaterialisierung. Sie stellt die vollständige Umwandlung von Materie in Energie dar, der Umwandlung, welche die Grundlage des Traums von der grenzenlosen Beweglichkeit im All bildet. Physiker sagen, dass durch Entmaterialisierung von 12 t Material - Müll würde genügen - der gesamte Energiebedarf der Menschheit von einem Jahr zu decken wäre. Die Inbetriebnahme des bisher größten Teilchenbeschleunigers des CERN in Genf bringt uns dieser Möglichkeit näher, lässt aber zugleich befürchten, dass diese Energie- explosion - wie zuvor schon die der Kernspaltung oder Kernfusion - greifbar werden könnte. |
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Vernissage |
Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirksamt Wandsbek | |
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