Identität des Salzes ist der Kubus. Damit korrespondiert dieser Prozess mit dem platonischen Konzept der Urbilder und den Vorstellungen genetischer Prädisposition. Die Identität ist in diesem Fall nichts, was einem stetigen Prozess der Transformation unterworfen ist, sondern eine innewohnende Natur, die nach einer ausreichenden Zeitspanne unweigerlich zutage treten wird.

In zwei anderen Arbeiten begegnet uns das Wasser nicht als Lösungsmittel für Natriumchlorid, das dessen innewohnende Natur erst mit dem eigenen Verdunsten freigibt, sondern als gefrorenes Medium, das stark gefaltete Stoffbahnen in einer künstlichen Starre hält. Im Verlaufe der Ausstellung wird das Eis schmelzen und die Fältelung aus seiner Umklammerung entlassen. Der Stoff wird sich entfalten, der Schwerkraft nachgeben, sich in die Länge ziehen, abrutschen, bis er schließlich ein Endstadium erreicht, mit dem die künstlerische Inszenierung abgeschlossen ist, und von Neuem in Gang gesetzt werden muß.

Hier drängt sich die Frage auf, welchem Zustand man identitätsstiftende Eigenschaften zubilligen würde. Ist das Gefüge aus Eis und gefälteltem Stoff die eigentliche, weil von der Künstlerin herbeigeführte Gestalt des Kunstwerks, oder offenbart sich die tatsächliche Beschaffenheit und damit die Identität des Stoffes erst nach der Entfaltung seiner ganzen Fläche mit allen vorher verborgenen Bereichen? Oder sprechen wir jedem Zustand die identitätsstiftende Macht ab, da vielmehr in dem dynamischen Prozess und der raumzeitlichen Manifestation der Entwicklung selbst die Identität des Werks begründet liegt.

So wie in dem philosophischen, dem kulturellen, dem psychologischen und politischen Diskurs die Frage nach der Identität und ihrer Definition umstritten bleibt, so treten uns auch in der Ausstellung von Saskia Bannasch verschiedene Versuche entgegen, in denen die Frage nach der Identität und ihrer Dynamik in der Zeit ambivalent bearbeitet und auf verschiedene Weise beantwortet wird.

Wie im wissenschaftlichen Experiment sind die Anordnungen innerhalb gewisser Grenzen ergebnisoffen und tragen die Frage ohne Postulat weiter. Gleichzeitig machen sie aber auch deutlich, wie wichtig es ist, sich dieser Thematik zu stellen.

© Dr. Thomas J. Piesbergen / VG Wort, Oktober 2018

Foto Elke Suhr
Foto: Elke Suhr
Die 8. Ausstellung zum Jahresprogramm (Keine) Wendemöglichkeit, 2018 des EINSTELLUNGSRAUM e.V.
Präsentation
Vernissage
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