Dialog Anne Meerpohl | Jana Pfort zur Einführung in die Ausstellung von Anne Meerpohl: Laufende Luftmaschen.
EINSTELLUNGSRAUM e.V. 24.08.2022

J
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Wenn ich deine Arbeit betrachte, fällt mir zuallererst ihre Farbigkeit in den Blick. Die Palette erinnert mich an etwas Organisches, was durch die scheinbar fließenden Formen und den Farbauftrag noch verstärkt wird. Ich denke dabei an Körpersekrete, an Aufnahmen des Körper-Inneren, an eine Nähe und Unmittelbarkeit, die mich zugleich anzieht und abstößt. Auf welchen Ebenen denkst du in deinem Arbeitsprozess über Farbe nach?

A.: Die Farben oder die Farbpalette kommen für mich auch aus einer Neugierde oder Faszination zu dem Inneren des Körpers und zu dem, was ihn in Bewegung, oder „feucht“ hält und im Alltag unsichtbar bleibt. Im Prozess selbst denke ich oft an diese Glipschigkeit, die dann auch die Farbe mit sich bringt und an ihre Analogien zum Körper, die in der Kunstkritik zum Teil zu absurden und humorvollen Metaphern führen (Farbe als das metaphorische Ejakulat des männlichen Künstlergenies). Vor allem gesellschaftliche Stigmata zu bestimmten Sekreten und feministische Sichtweisen darauf finde ich spannend, auch im Umgang mit der Farbauswahl. Irgendwie sind die Rottöne, rosa, gelbgrün stark mit Körper assoziiert und auch mit Weiblichkeit. Mich interessiert ersteres im Moment stärker und die gerade angerissene Faszination zu dem Fleischlichen der Farbe. Manchmal schiebe ich sie auch einfach gerne ein bisschen Hin und Her mit meinem Spachtel und beobachte die Reflexionen vom Licht oder habe fast ein bisschen Schaudern, wenn ich mir die Farbe als etwas Lebendiges vorstelle. Vielleicht ist Malerei für mich
auch manchmal so etwas wie Endoskopie.

J.:Die Vorstellung einer lebendigen Farbe gefällt mir sehr gut. Dadurch erhält sie in gewisser Weise auch eine Autonomie gegenüber der Künstlerin oder dem Künstler, die sie in eine Form zu bringen versuchen. Wie treten deine Arbeiten mit dem Begriff „Autonom“, dem Jahresthema des Einstellungsraums, in Kontakt?
A.: Gestern habe ich das erste Mal eine Malerei angefangen mit Schrift darauf. Die Idee ist, dass die Objekte/Malereien mit dem Begriff „Autonom“ auch auf eine Art autonom umgehen, selbst die Initiative ergreifen einen Dialog zu führen, mit dem was sie abbilden. Also ganz wörtlich gesehen.

J.:
Findet sich der Begriff „Autonom“ dann als geschriebenes Wort im Bild wieder?

A.:
Den Begriff selbst habe ich nicht wörtlich in die Bilder integriert. Es sind für mich mehr Gedankenfetzen, die um die Frage nach der Autonomie der Objekte/Bilder kreisen. Daraus ist ein fiktiver Dialog der Malereien untereinander entstanden. Sie sind sich unsicher, fragen sich etwas, stellen Thesen auf. Für mich sind sie in gewisser Weise eine Übertragung von Atelier-Gesprächen, Arbeitsbesprechungen, Treffen mit Freund*innen. Der Arbeitsprozess der Bilder wird darin kommuniziert und soll das Thema Eigensinnigkeit, Eigenständigkeit in Bezug auf die Frage "Autonom?" artikulieren. Wie denkst du über gemalte Texte im Bild? Ich bin mir da noch unsicher...

J.: Die Kombination von Malerei und Text finde ich allgemein sehr spannend. (Gerade war ich in Göteborg in einer Ausstellung der schwedischen Künstlerin Nina Bondeson. Sie hat auch mit Text in ihrer Malerei gearbeitet und beides auf Objekte und in den Raum ausgedehnt. Da der Text größtenteils auf Schwedisch war, konnte ich den Inhalt nicht lesen, daher wurde die Schrift vor allem zum Textbild, was besonders faszinierend war, da so meine Fantasie angeregt wurde, mir vorzustellen, welche Geschichten sich in den Bildern, durch die Verbindung von Bild und Text erzählen können.) Eine Textebene ist ja erst einmal ein weiterer Layer, der dem Bildmotiv etwas hinzufügt, sich ihm überstülpt oder hineinwächst. Schrift kann dabei beides sein – Bild und Zeichen, zur Verständigung dienen, aber genauso auch als Ornament oder malerische Geste. Mich interessiert, ob das Wort, der Text, in deinen Arbeiten eine Autonomie gegenüber dem malerischen Ausdruck besitzt (und vice versa), vielleicht auch, ob eine Hierarchie entsteht oder die Elemente gleichwertig betrachtet und eingesetzt werden?

Die  7. Ausstellung im Jahresprogramm Autonom? des EINSTELLUNGSRAUM e.V. 2022
Präsentation
Vernissage
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