-mit dieser
ökonomisch und ökologisch verantwortungsvollen
Untemeh-menspolitik. Sie treten damit in die
Fußstapfen von Henry Ford, der schon 1938 "das Auto, das
auf dem Acker wächst"*, einen Prototyp vorstellte,
dessen Kunststoff-Karosserie aus Hanf und anderen Fasern
hergestellt war, der Motor lief mit Pflanzenöl.
Die Hanfpflanze
fasziniert aber auch durch ihre
Doppelgeschlecht-lichkeit. Die Pflanzen sind
jeweils entweder männlich oder weiblichen
Geschlechts. "Männliche Pflanzen sind nur für die
sexuelle Energie verantwortlich"**, während weibliche
Pflanzen die starken und besseren Fasern liefern.
"Nur die weiblichen Pflanzen können alkaloide Wirkstoffe
hervorbringen wie Marihuana, das indisch: das gefangennehmende Kraut
bedeutet; oder arabisch: Haschisch, das Wunder der Verwandlung
heißt. Männliche Pflanzen können zwar
konsumiert werden, rufen aber keine Wirkung hervor."***
Ähnlich dem Drogenrausch werden beim Geschwindigkeitsrausch im Automobil Erlebnisse erfahrbar, Endorphine freigesetzt, die uns aller Begrenzung entheben. Der Wunsch einer Bewegung durch Raum und Zeit, die Überwindung von Raum und Zeit, ein alter Menschheitstraum wird suggeriert. Der Fahrer verwächst mit dem Metallgehäuse des Automobils und wandelt sich zum Kentaur: Er fühlt sich unverletzbar und unsterblich in einer anderen Dimension. Geschwindigkeitsrausch, Grenz-erfahrung und Grenzüberschreitung, Grenzenlosigkeit. Aber auch die Träume und die Verwirklichung der kleinen Fluchten verbinden sich mit dem Auto, der Droge, dem Glücksversprechen auf Rädern. Jedoch zurück zur
Ausstellung.
Das Motiv der Tür wird an der linken Wand des EINSTELLUNGSRAUM in einer Serie von Grafiken wieder als Bild und Metapher aufgegriffen. Feinfühlig und intelligent bezieht die Künstlerin die Wand in ihre Konzeption ein. Medial wird ein Wandel vom Objekt zum Bild vollzogen. 7 Tafeln zieren wie ein Fries die Wand. Sie nutzt diese Form für die narrative Struktur der Arbeit. Eine große, hervorgehobene Tafel führt in das Thema ein. Sie zeigt 6 Autotüren, die in ihrer Gestaltung an die berühmten mittelalterlichen Bronzetüren der Kirchen wie am Dom zu Hildesheim oder, um das berühmteste Beispiel zu zitieren, an Ghibertis Paradiestür am Baptisterium in Florenz erinnern. Diese verdankt ihre |
Bezeichnung unter andrem
einer Äußerung Michelangelos, der meinte, dass dieses
Meisterwerk würdig sei, den Eingang zum Paradies zu
schmücken. In den Bildfeldern werden biblische
Geschichten erzählt. Christine Carstens aber
bezeichnet ihre Arbeiten ironisch als "Moritatentafeln".
Sie erzählen ebenfalls eine Geschichte: die uralte,
zeitlos gültige Geschichte von Adam und Eva, von Liebe und
Tod. Die Protagonisten werden in Form eines roten und
blauen Cocktailsticks vorgestellt. Die Goldammer auf dem
Zweig scheint die uralte Weise zu begleiten. Die sechs
weiteren Tafeln explizieren die Thematik, in denen die
schlangenförmigen Cocktailsticks nun ein wildes Pas des
deux mit allen Aufs und Abs des Dramas tanzen. Die
Künstlerin zeigt die lyrische Geschichte auf
Millimeterpapier, das sie mit der grauen flügelartigen
Figur darauf so schon vorgefunden hat. Sie griff die
Vorgabe auf und nutzte die Eigenart des Millimeterpapiers,
das die Begrenzung, den Kontrast, die Differenz zur
Geschichte umso deutlicher krass spürbar und sichtbar
macht. Sie zieht dafür alle medialen Register und
lotet sämtliche Techniken in alle Richtungen spielerisch
aus. Die Grenzen zwischen den einzelnen Gattungen
und Techniken verschwimmen, fließen ineinander. Sie
betreibt ein Vexierspiel zwischen Kunst und Wirklichkeit,
das die Wahrnehmung in die Irre, und die eingefahrenen
Sehgewohnheiten vorführt. Die klassische Zeichnung findet hierbei genauso Einsatz wie der Scanner und das Laminiergerät. Bei dem Tulpenbild und dem aufziehbaren paradiesisch lächelnden Buddha auf der rechten Wand- seite handelt es sich keineswegs um Fotos oder Collagen, sondern um eine weitere Radikalisierung ihrer Arbeitsweise, indem sie die Gegen-stände direkt auf den Scanner legt und ablichtet. Sie erreicht damit unglaubliche Effekte, die die Magie der Dinge zur Erscheinung bringen, sie beginnen wirklicher als die Wirklichkeit zu scheinen. Alles wirkt noch eindringlicher. Was aus der Ferne malerisch mit Valeurs, einer subtilen Farbigkeit, mit Glanzlichtern und Tiefenwirkung wie das Gemälde eines Altmeisters wirkt, erweist sich aus der Nähe betrachtet als Spiel mit den Zitaten von Techniken und Genres. * Henry Ford: "Das Auto, das auf dem Acker wächst", aus: Mathias Broeckers: Cannabis. Aarau 2002, S.101. ** Mathias Broeckers: Cannabis. Aarau 2002, S.113. *** Mona Klerings / Ingo Schmaal: Im Rausch mit der Natur. Naturdrogen. Hamburg 2002, S. 88f. |
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