"Das kann man sich an fünf
Fingern abzählen."
Die Verwendung der Hand als ein Memorysystem hat seine Wurzeln in ihrer Vielgliedrigkeit und hohen Beweglichkeit. Aus diesem Grund ist sie stark mit Nerven durchzogen, deren Enden an den Fingerkuppen sie extrem tastempfindlich machen, was sie zur Feinmotorik befähigt. Dazu tragen auch Sensoren in den Gelenken bei, die ein Netz aller Kontaktpunkte schaffen und damit den Körper im Gehirn räumlich abbilden.2 Die bekannteste Benutzung der Hand zur Unterstützung der Merkfähigkeit ist das Zählen und Rechnen mit den Fingern, das in verschiedenen Kulturen durch Einklappen oder Aufrichten der Fingerglieder praktiziert wird. Auf diese Verwendung der Hand gehen sowohl das Dezimalsystem wie auch der Begriff "digital" zurück. Der erste geht von der Anzahl der Finger aus – deka (grch.) – 10 – und der zweite vom lateinischen digitus, das Finger bedeutet. Aus diesem Grunde fungiert die Hand als ein Modell für Metaphern, Merksprüche, Denkbilder und Abzählreime wie z.B.: 1. "anhand von", "durchschlagen", "handlich" 2. "Das kann man sich an 5 Fingern abzählen." 3.
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II. Das Taktgefühl bei der
Arbeit und in der Musik
Dem Bildobjekt im Schaufenster steht ein Pendant auf der Stirnwand des Raumes gegenüber, mit dem das Motiv des Durchschlagens abermals aufgegriffen wird. Durch Hervorkehren der Rückseite der Abbildung der Hand wird der gewaltsame Aspekt der Hammerschläge vorgestellt, welche die Gelenkpunkte der Finger getroffen und durchdrungen haben. Anders als bei der Version im Schaufenster haben hier die Hämmer die Bildfläche durchschlagen, was die zerschmettere Rückseite des doppelt beschichteten Modellkartons als ein abstraktes Bild sichtbar macht, das an Luigi Fontanas "concetti spaziali" (Raumkonzepte) erinnert, die der italienische Künstler der 1950er durch Schnitte und Risse in der Leinwand vorstellte. Kiessners Bilderpaar zeigt wie Hämmer auf Gegenstände prallen oder sie durchdringen. Darin bedeutet die Künstlerin eine Ambivalenz, die dem Hantieren mit Werkzeugen eigen ist. Diese Tätigkeiten und das ihnen ausgesetzte Metall oszillieren dabei zwischen Konstruktion und Destruktion. In diesem Verhältnis, das schon die Bildhauerei berührt, zeigt sich die Spannung zwischen Gestaltung und Zerstörung, die in der Benutzung des Hammers gegeben ist. Beide Aspekte liegen in dem Begriff, den Kiessner als Titel der Ausstellung gewählt hat. Mit accord wird einerseits der wohlklingende Mehrklang in der Musik bezeichnet und andererseits ein Vertragsverhältnis, das Entgelte nicht an Zeit sondern an produzierte Stückzahlen koppelt. Bis zu einem gewissen Grad kann die Herstellung höherer Stückzahlen die Verdienst-möglichkeiten verbessern. Doch meist werden durch wirtschaftliche Vorgaben von Arbeitern eine immer höhere Produktivität erzwungen. Die Verwendung desselben Begriffs, der eine Übereinstimmung aber auch ein Einverständnis meint - für Handwerk, Arbeitswelt und Musik - , überrascht. Schmeichelt der Übereinklang in der Musik dem Ohr, so treffen bei einer Abmachung in der Arbeitswelt nicht immer gleichstarke Partner aufeinander. Daher kann accord hier zur übermäßigen Abnutzung von Menschen und Werkzeugen führen und die Gestaltungskraft der handwerklichen Arbeit in ihr Gegenteil verkehren. Erscheint diese Übereinstimmung von Begriffen eher zufällig, so |
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Die
07. Ausstellung im Jahresprojekt Autos fahren keine
Treppen des EINSTELLUNGSRAUM
e.V.
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Vernissage |
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2
Eine sehr anschauliche Darstellung der
anthropologischen und
medizinischen Forschungsergebnisse über die Motorik
der Hände, ihre
Vernetzung mit dem Denken und ihre kulturelle
Bedeutung liefert Frank
R. Wilson: The Hand. How its use shapes the brain,
language, and human
culture, New York 1998, dt.: Die Hand Ð Geniestreich
der Evolution,
Stuttgart 2000 |
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Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg |