Die Antwort darauf liegt wiederum in der Frage nach dem Zentrum des Urknalls verborgen. Denn die Expansion des Universum ist derart beschaffen, das sich alles in gleicher Geschwindigkeit von allem anderen fort bewegt. Das bedeutet: das ehemalige Zentrum des Urknalls ist überall, auch genau an dem Ort, an dem ich mich jetzt befinde - oder an dem sie gerade stehen. Sie selbst befinden sich genau jetzt und ihr ganzes Leben lang genau an dem Ort, an dem die allererste Quantenfluktuation stattgefunden hat, die unser Universum hervorgebracht hat!
Der Mittelpunkt ist überall: eine Erkenntnis, in der sich moderne empirische Kosmologie und mystische Einsicht wieder begegnen!

Ein dritter Themenkomplex der Ausstellung beschäftigt sich mit der zyklischen Natur der meisten, möglicherweise sogar aller Vorgänge innerhalb des Universums.
Das Zyklische erleben wir auf zwei, von unserem Verstand künstlich getrennten Ebenen: im Raum und in der Zeit: Die Elektronenwolken kreisen um den Atomkern, die Erde um ihre eigene Achse, der Mond um die Erde, die Planeten um die Sonne, die Sonnensysteme um das galaktische Zentrum etc., während alle lebendigen Organismen sich in dem zeitgebundenen Zyklus der physischen Reproduktiuon befinden, in der stets wiederkehrenden Abfolge von Geburt und Tod, möglicherweise auch von Tod und Wiedergeburt, im Kreislauf der Jahreszeiten, selbst angetrieben vom Blutkreislauf, eingebunden in den Kreislauf des Wassers, des Sauerstoffs etc., und dabei gedanklich meistens kreisend um sich selbst.


Das Symbol dieser Idee der ewigen Wiederkehr finden wir in der liegenden 8, dem Unendlichkeitszeichen, hier in der Arbeit „Lemniskatenoperator“ von einem motorisierten Gelenkmodell, in das eine Leuchtdiode eingebaut ist, mit Licht in den Raum gezeichnet wird, sowie in den Multiple-Objekten „Das Allgestaltende“, zwei ineinander geschobene Scheiben, in deren Umlauf auf die vierte Dimension verwiesen wird.

Auch eines der Urknallmodelle greift die Idee des zyklischen Charakters der Raumzeit auf, das sogenannte „geschlossene“ Universum, das sich nach einer Zeit der Expansion wieder zusammenzieht, um schließlich in einer Singularität wieder in sich zusammen zu fallen - hier als eine Implosion von Wollfäden inszeniert.

Eine weitere Arbeit, in der zyklisches Verhalten im Raum und in der Zeit ineinander fallen, ist die „Vollmonduhr“, die die Erdumdrehung und die Umlaufzeit des Mondes als Drehung einer Scheibe und Umlauf einer daran hängenden Kette darstellt.

Angesichts dieser allgewaltig wirksamen und in ihrem ganzen Ausmaß unvorstellbaren Kräfte,  Zusammenhänge und Bewegungen stellt sich natürlich die Frage nach dem Standort und Stellenwert des Menschen.

Und hier kommen wir wieder zu dem eingangs erwähnten Blinden Fleck zurück.

Wie wir gesehen haben, gibt es keinen Stillstand im Universum. Ebensowenig scheint es Anfang und Ende zu geben, wenigstens nicht auf eine zeitlich determinierte Art und Weise, die wir zu erfassen imstande wären, - unabhängig von der Frage, ob das Universum nun „offen“ oder „geschlossen“ ist - denn wie soll man sich schließlich etwas vorstellen, was vor der Zeit gewesen ist? Dennoch denken wir Zustände wie „Stillstand“ oder letztlich metaphysische Begriffe wie „Anfang“ und „Ende“!

Die Physik hat Jahrhunderte gebraucht, bis sie auf dem Feld der Quantenphysik endlich auf die möglicherweise wichtigste Größe überhaupt gestoßen ist: den Beobachter! Plötzlich wurde offensichtlich, daß gewisse Dinge erst in dem Moment in eine beobachtbare Wirklichkeit übergehen, in dem sie tatsächlich beobachtet werden. Denn bis dahin verharren sie lediglich in einem Zustand der Möglichkeit.

Und das trifft nicht nur auf quantenphysikalische Vorgänge zu. In einem sich permanent bewegenden Universum ohne einen zu verortenden Mittelpunkt kann nur dann gemessen werden, wenn von einem Ort aus gemessen wird, den man mit dem Begriff des Stillstands, des Anfangs oder des Endes kennzeichnet: der ruhende Pol, der Bezugspunkt, zu dem man die Dinge in Relation setzt. Und dieser ruhende Punkt ist der Mensch selbst, unser blinder Fleck der Beobachtung.

Hier begegnen wir ein weiteres mal dem zyklischen Charakter der Wirklichkeit: selbst wenn das Universum laut dem aktuellen Forschungsstand offen und nicht geschlossen ist, erleben wir die Inversion in der Wahrnehmung des Universums! Denn schließlich ist unser Bewußtsein nichts vom Universum Unabhängiges. Das Universum hat das Bewußtsein hervorgebracht und blickt durch unsere Augen auf sich selbst zurück! Und in diesem Blick begegnen sich auf kognitiver Ebene auch die nach außen gerichtete Wissenschaft und die nach innen gerichtete Mystik in der Entsprechung ihrer Erkenntnisse und schließen damit den Kreis unserer Erkenntnisfähigkeit.

Die 04. Ausstellung im Jahresprogramm Park&Ride des EINSTELLUNGSRAUM e.V.
Vernissage
Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirk Wandsbek 
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