Flügeln, mit der Beherrschung des Schweren in einer Hand liegt. Die Eroberung der Luft geht demzufolge auf die Kenntnissen dieses Metallurgen zurück, der sein Material aus den in der Erde liegenden Erzen gewinnt und den Guss seiner Figuren im Erdboden organisiert.

Heute gehen die Arbeiten in dieser Richtung weiter, denn wir werden bald die ersten Kunststoffpassagiermaschinen fliegen sehen, welche die großen Maschinen, die heute noch aus Metallen wie Aluminium, Titan, Magnesium und entsprechenden Legierungen gefertigt werden, ablösen. Unsere Halsstarrigkeit einer ganzheitlichen Sicht gegenüber, hat wahrscheinlich auch damit zu tun, dass wir irrigerweise annehmen, diese Bereiche wären früher getrennt gewesen. Genauso wenig kann das Immaterielle, das heute unser Leben bestimmt, ohne Material existieren. Deshalb ist auch die in diesem Zusammenhang stehende  Bezeichnung postindustrielle Gesellschaft töricht, denn sie ignoriert, dass die Schwerindustrie nach wie vor die Voraussetzungen unseres Lebens produziert, auch wenn die damit verbun- denen Belastungen der Umwelt und die physischen Anstrengungen bei uns unsichtbar geworden sind, weil sie in andere Länder verlagert worden sind. Die Globalisierung basiert ja auf einer weltweiten Arbeitsteilung, und um so fataler ist es, wenn wir die digitalen Luftschlösser, die Spezialfälle sind und unendlich mehr Ressourcen verbrauchen als andere Siedlungsformen, als voraussetzungslose Schöpfungen ansehen. Der Film "Wall-e" (Regie Andrew Stanton, Pixar Animation, 2008) zeigt beide Ebenen als eine liebenswert-ironische Karikatur: Die Erdoberfläche ist ein Müllhaufen, der von Robotern sortiert wird, und die Menschen sind ins Weltall geflüchtet. wo sie in einem Megaraumschiff ziellos auf Dauerkreuzfahrt unterwegs sind.

Die Luftarchitektur von Werner Ruhnau, der mit dem Künstler der Leere Yves Klein zusammenarbeitete, ist ein gutes Beispiel für die Greifbarkeit, die diese Utopie in ihren Anfängen, den 1960er Jahren, hatte. Ruhnau schwebten Räume ohne Wände vor, die allein von einem stark beschleunigten Luftstrom von der Außenwelt abgetrennt worden wären. Vergleichbar ist dieses Verfahren heute mit Luftschleusen, wie wir sie heute aus Kaufhäusern oder anderen öffentlichen Gebäuden kennen, die den Innenraum durch einen Luftstrom im Eingangsbereich von der Außenwelt abtrennen.

In Licht aufgelöste Architektur
Fotos von Megastädten

Der obige Exkurs war notwendig, um die urbanen Konglomerate, die wir auf den hier projizierten Fotografien von Wahl sehen, in einen adäquaten Kontext zu rücken. Die Projektionen zeigen uns nur Licht, das die Scheiben der aus Stahl und Glas gebauten Bürotürme durchdringt und zwischen ihnen für die Beleuchtung der Straßen und Plätze dient. Da sich aber nur das Licht auf dem Photochip abbildet, suggerieren die Bilder die Auflösung der materiellen Architektur. Nicht nur ihre Form verschwindet; die Bewegung der Kamera sorgt für zusätzliche Verwischungen, denn die Bilder sind aus dahingleitenden Autos gemacht worden. Licht und Datenspeicherung sind Bedingungen für eine Kunst, die wie es Francois Lyotard in seiner damals bahnbrechenden Arbeit "Les Immateriaux"4 vorschlug, die Materie zum Verschwinden bringt. Doch wissen wir heute, dass dies eine Illusion ist, denn der enorme Energieverbrauch der Städte und der gigantischen Maschinen, die das Internet und die digitalen Datenströme in Gang halten, erfordern Bauwerke, die als Infrastruktur und zur Herstellung der Energieflüsse die ganze Erde umspannen und ist, wie oben bereits ausgeführt, in hohem Maße von der Schwerindustrie abhängig.5

Dieser Widerspruch, dem Yvonne Wahl als junge Steinmetzin während ihrer Zeit in Köln im Kontakt mit bildenden Künstlern - die vor allem konzeptuell arbeiteten -

4 experimentelle Ausstellung am Centre Georges Pompidou 1985, die Lyotard mit Thierry Chapus u. a. kuratierte.
5 Es ist kaum im Bewusstsein, wie viel Energie durch Surfen im Internet verbraucht wird. In den Hauptknotenpunkten des Internets beobachtet Professor Gerhard Fettweis einen Anstieg des Stromverbrauchs von 16 bis 20 Prozent pro Jahr. "Mittlerweile verbrauchen die Serverfarmen rund 180 Milliarden Kilowatt pro Jahr", sagte Fettweis der Wirtschafts Woche. "Das sind ein Prozent des weltweiten Strombedarfs." "Addiert man den Stromverbrauch der Mobilfunk-, Festnetz- und Internet-Infrastruktur hinzu, wächst der Anteil am Weltstromverbrauch sogar auf drei Prozent." Diese Nachricht wurde am 1.3.2008 publiziert, weshalb sich die Strommenge 2011 schon verdoppelt haben müsste.
http://www.wiwo.de/technik-wissen/energieverbrauch-des-internets-steigt-jaehrlich-um-20-prozent-267944/
(am 25.04.11)

Die 02. Ausstellung im Jahresprojekt  Autos fahren keine Treppen  des EINSTELLUNGSRAUM e.V.
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Vernissage
Gefördert von der Behörde für Kultur, Sport und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg