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In den fünfziger
Jahren konnte Günther Anders seine Beobachtungen zum
Verhältnis von Menschen und Maschinen noch unter dem
Stichwort "prometheische Scham" zusammenfassen. Er
bezeichnete damit die Scham, die der Mensch aufgrund
seiner "fehlerhaften Kreatürlichkeit" angesichts der
Perfektion der Maschinen empfindet. Ein Problem, welches
der Apollon auf seinem Wagen sowieso nicht hat. Auch
Wagenlenker-Phantasien haben kein Problem mit
Kreatürlichkeit, es wäre eine Untersuchung wert, wie starr
das Wortfeld eines einmal geprägten Gemeinplatzes ist.
Günther Anders hat mit seinen Überlegungen jedenfalls
keine Chance gegen ins Kraut schie- ßende Machtphantasien. Autos und Motorräder sind mythologische Objekte. Fahrzeuge erweitern die organischen Möglichkeiten des Menschen; sie erlauben ihm etwas, wozu er mittels seiner angestammten Körperkräfte nicht in der Lage ist, und steigern dadurch seine Macht und Machtgefühle. In beiden Fällen sind die Subjekt-Funktion der Selbststeuerung und die persönliche Meisterschaft entscheidende Momente der Faszination. Das Motorradfahren, wie wohl auch das antike Wagenlenken leben von einer Gleichzeitigkeit von Macht- und Ohnmachtgefühlen. Auf der einen Seite partizipiert der mit dem Fahrzeug verschlungene Fahrer sehr unmittelbar an der Kraft seiner Maschine und kann auf diese Weise das Gefühl persönlicher Meisterschaft steigern. Die Kraft des Motors drängt sich der sinnlichen Erfahrung buchstäblich auf. Die Bewegung und das Gespür des gesamten Körpers ist an der Steuerung des Gefährts beteiligt: man muss sich z.B. mit seinem ganzen Körper in die Kurve legen. Mit wachsender Beschleunigung und steigendem Tempo nehmen die Intensität der sinnlichen Reize und damit die Gefühle persönlicher Macht zu. Auf der anderen Seite: um so intensiver, je größer die potentielle Gefahr. Es besteht eine immense Schutzlosigkeit und Abhängigkeit von dem Verhalten des Objekts, auf dem man durch die Gegend rast. Das zusammengesetzte Wort Wagen-Lenker klebt diese Subjekt/Objekt - Anhängigkeit buchstäblich zusammen. Die Gefühle der Autonomie und der Heteronomie wachsen in ein und demselben Prozess; die überwältigende Subjekterfahrung ganzkörperlicher Selbststeuerung ist nur zu haben bei einer spürbaren Annäherung an die Gefahr der Subjektauslöschung, also die Gefahr eines tödlichen Verkehrsunfalls durch Kontrollverlust über die Objekte, die einem die Subjekterfahrung erst verschaffen. Das "Völlegefühl
des (Über-) Lebens" speist sich aus der stets präsenten
Todesnähe: Der Reiz des Motorradfahrens beruht
maßgeblich darauf, dass sich der Mensch mittels seines
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