Wachstum, Wahn und Aufbruch - Rede zur Eröffnung der Ausstellung "Samsara" von Maria Luisa Uth.
© Dr. Thomas J. Piesbergen

Als vor gut 40 Jahren der Club of Rome die epochale Studie „Die Grenzen des Wachstums“ veröffentlichte, wurde erstmals im großen Umfang das öffentliche Bewußtsein auf einen Fetisch gelenkt, dem, den Ergebnissen der Studie zum Trotz, noch bis heute die Entscheidungsträger der Gesellschaft größtenteils blind verfallen sind: dem Fetisch des Fortschritts und des Wachstums.

Jedes Jahr werden an den Börsen Milliardenwetten auf die Prognosen des Wirtschafts-wachstums abgeschlossen und der Erfolg von Regierungen wird daran abgelesen. Die Exporte müssen wachsen, die Zahl der gemeldeten Patente muß wachsen, die Zahl neugegründeter Firmen muß wachsen, damit wir, so scheint es, einer lebenswerten, glückverheissenden und sicheren Zukunft entgegen rollen können.

Damals wie heute werden die Mahner als ideologisch verblendet diffamiert, als senti-mentale,  realitätsferne Weltverbesserer belächelt, oder man klopft ihnen auf die Schulter, verleiht ihnen einen Preis und geht danach zur Tagesordnung über, damit die Wirtschaft weiter wachsen kann und der Fortschritt weiter fortschreiten kann. (Anders wäre das Verhalten der VW-Stiftung nicht zu erklären, die einerseits Symposien und Veröffentlichungen des Club of Rome unterstützt, andererseits aber nichts tut, um dessen Warnungen gerecht zu werden.)

Daß das, was wir in diesem Zusammenhang unter „Fortschritt“ verstehen, sich auf die technologische und ökonomische Aspekte beschränkt, versteht sich in diesem Kontext von selbst.
Fortschritt sozialer Natur spielt im Rahmen der Wachstumsideologie keine Rolle, sofern er sich nicht in ökonomisch relevanten Zahlen akut und meßbar niederschlägt.
Daß es möglicherweise auch einen Fortschritt, eine Entwicklung im geistigen, seelischen oder spirituellen Bereich geben könnte, davon wird, sofern man sich nicht öffentlich blamieren möchte, in den Kreisen, die unsere Gesellschaft steuern, in der Regel geschwiegen.
In seinem Roman Nostromo von 1904 faßt Joseph Conrad dieses Dilemma der Domi- nanz ökonomischer Denkmuster prägnant zusammen:
"Es gibt keinen Frieden und keine Ruhe bei der Entfaltung materieller Interessen. Sie haben ihre eigenen Gesetze und ihre eigene Gerechtigkeit. Aber sie gründen auf Nützlichkeit und sind inhuman; sie sind ohne Aufrichtigkeit, ihnen fehlt die Beständigkeit und die Kraft, die nur im moralischen Prinzip zu finden sind."

In der letzten Eröffnungsrede zu den Arbeiten von Jann Launer fragte mich ein junger Mann im Publikum angesichts eines recht desolaten Bildes der menschlichen Verfas- sung in der post-industriellen Gesellschaft, das ich im Vortrag zeichnete, wie der Mensch denn überhaupt noch agieren könne, außer sich innerhalb der gegebenen Bahnen zu bewegen.

Hinter dieser Frage verbirgt sich einerseits die große Angst, sich der ernüchternden Bedingtheit des gegenwärtigen Menschseins zu stellen, andererseits ein moralischer Defätismus, der leider ebensoweit verbreitet ist. Der Mensch glaubt sich im Räderwerk der übermächtigen Mechanismen neoliberaler Marktwirtschaft verloren, der ökologi- schen Katastrophe ausgeliefert, und sozial abhängig von den Funktionsschemata digitaler Kommunikation.
Einen im gleichen Maße prägnanten wie dummen, weil irreführenden Ausdruck für diese Perspektive hat Bundeskanzlerin Angela Merkel geprägt, in dem sie ihre Entschei-dungen immer wieder als „alternativlos“ bezeichnet.


Und so erscheint auch vielen die zeitgeistgemäße Haltung alternativlos: Immer am Ball bleiben, immer auf der Höhe der Zeit bleiben, immer in Bewegung bleiben, sich niemals abhängen lassen, und wenn man sich und den Rest der Welt gegen die Wand fährt, sind die Umstände schuld, die uns keine Alternative lassen. Dann ist es Schicksal, Karma.

In dem Objekt Manifest Destiny von Maria Luisa Uth begegnen wir zunächst dem Rad wieder, also der schlichten, mechanischen Konstruktion, die uns seit der Jungsteinzeit in unserem Bestreben, mobil zu sein, stets zu Diensten war, und die als Bestandteil von Motor und Fahrwerk schließlich ihre Krönung in unserer automobilen Wirklichkeit erlebt hat.

Gleichzeitig ist das Rad zum Bedeutungsträger symbolischer Inhalte geworden. Es ist

Vernissage
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