Die Unvergänglichkeit des Vergänglichen - Thomas Piesbergen zur Ausstellung „Sic transit… In Memoriam Love on Tour“ von Ursula Steuler

Wenn ein neu gewählter Papst zur Zeit der Renaissance zum ersten mal den Petersdom betrat, entzündete ein Zeremoniar, um den Papst der eigenen Vergänglichkeit zu gemahnen, dreimal ein Bündel Werg und rief dabei die Worte: „Sic Transit Gloria Mundi“, „So vergeht der Ruhm der Welt“. Die Redewendung geht auf den mittelalterlichen Mystiker Thomas von Kempen zurück und sie hat, seitdem sie vom Vatikan übernommen wurde, als geflügeltes Wort Verbreitung gefunden.

Doch während die deutsche Übersetzung mit dem Begriff des „Vergehens“ die Vergänglichkeit betont und damit eine große Nähe zum „memento mori“ aufweist, schwingt in der lateinischen Urform noch eine andere Botschaft mit. Denn das Verb „transitare“ bedeutet nicht „vergehen“ sondern „durchschreiten“. Es wird also nicht auf die Endlichkeit alles Weltlichen und damit auch auf den Tod verwiesen, sondern nur auf die Vergänglichkeit eines Zustandes, der nichts anderes ist, als ein Übergangsfeld. Die Formel verweist also lediglich auf den ewigen Wandel, dem die Welt unterworfen ist.

Die abendländische Überlieferung dieser Perspektive auf die Wirklichkeit geht auf Heraklit zurück, der das Bild eines Flußes entwarf, der sich niemals gleich bleibt.
Ausgehend von dieser Quelle einer geistesgeschichtlichen Tradition mündet die Überlieferung schließlich in den Erkenntnissen der modernen Physik, die einerseits eine Wirklichkeit entwirft, deren Fundament das unstete Gewimmel der subatomaren Welt ist, in der, wie im Fluss des Heraklit, nichts fassbar und gleichbleibend ist, und die andererseits mit den Erhaltungssätzen verkündet: Nichts auf der Welt geht verloren, es geht lediglich in einen anderen Zustand über. Panta rei: Alles fließt, nichts bleibt wie es ist und nichts vergeht.

Selbst Schwarze Löcher, jenseits deren Ereignishorizont unsere Konzepte von Wirklichkeit nicht mehr anwendbar sind, sind nicht imstande, die Infor-mation zu zerstören, die in der von ihr verschlungenen Materie gespeichert ist. Denn während die Materie selbst in einer Singularität jenseits von Zeit und Raum verschwindet und nur noch in Form einer zunehmenden Gravita-tion mit dem Universum verknüpft ist, wird die Information über sie durch rätselhafte Quanteneffekte mittels der sogenannten Hawking-Strahlung wieder emittiert. Das Universum vergisst nichts.

Doch wie ist es um das menschliche Gedächtnis bestellt? Unsere Alltagserfahrung lehrt uns, dass Menschen vergessliche Wesen sind. Dinge und Ereignisse, die für uns keine Relevanz haben, werden von unbewussten Routinen rasch aussortiert und gar nicht erst mit unseren assoziativen Netzwerken verknüpft, es werden also keine konkreten langfristigen Erinnerungen gebildet; andere, etablierte Pfade der Erinnerung hingegen werden verschüttet, wenn wir sie nicht regelmäßig benutzen und scheinen
Die 7. Ausstellung im Jahresprogramm SEELENKLIMA 2021 des EINSTELLUNGSRAUM e.V.
Präsentation        
Vernissage
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