Verspätungen waren morgens so üblich, daß sich der Arbeitsbeginn um Stunden verzögerte. Bei internen Sitzungen klagten Betriebs-führer ständig über mangelnde Arbeitsdisziplin, vor allem der jugend-lichen Beschäftigten. Dabei verfügten sie jetzt über ein höchst wirk- sames Druckmittel: Verpflegung, Unterbringung, Bekleidung und Ausstattung der Ausgebombten mit dem nötigsten Hausrat wurden von den Betrieben organisiert; der gezeigte Arbeitseifer wurde zum Hauptkriterium für die Verteilung der knappen Güter. Diese Abhän-gigkeit ist zu bedenken, bevor von Arbeitseinsatz auf ungebrochenes Einverständnis mit der NS-Herrschaft geschlossen wird.

Wie dieser Überblick zeigt, gelang es den Aliierten mit den schweren Bombenangriffen des Jahres 1943 durchaus, die beabsichtigte Wirkung zu erzielen: Die deutsche Rüstungsindustrie wurde geschwächt, und das NS-Regime verlor viel von seinem Rückhalt bei der Bevölkerung. Politischer Widerstand machte sich wieder stärker bemerkbar, aber auch der Terror wuchs, mit dem die Machthaber auf die Bedrohung ihrer Herrschaft reagierten. Zu einer Ablösung der Führung durch eine friedensbereite Regierung konnte es unter den Bedingungen der NS-Diktatur nicht kommen. Die Dauer des Krieges wurde durch das „moral bombing“ nicht verkürzt.

Die innenpolitischen Folgen des Bombenkriegs waren eher langfristig von Bedeutung: Viele Deutsche erlebten jetzt die menschenverachtende Brutalität ihrer Führung, die die Städte nicht schützen konnte, aber den Krieg trotzdem fortsetzte, am eigenen Leib. Zur Zeit der Kapitulation war das NS-Regime endgültig diskreditiert. Teile der nationalsozialistischen Ideologie erwiesen sich zwar als zählebig und wirkten lange weiter. Aber ihre konkrete Verwirklichung im „Dritten Reich“, der real existierende Nationalsozialismus, fand nur noch wenige Verteidiger. Zum Erstaunen der Besatzungsmächte gab es in dem besigten Deutschland keine nationalso-zialistische Untergrundbewegung(„Wehrwolf“); es felhte ihr der gesellschaftliche Rückhalt.

An der Kriegsniederlage war angesichst der verwüsteten Städte nicht zu zweifeln, und so konnte auch keien neue „Dolchstoßlegende“ - wie nach dem Ersten Weltkrieg - entstehen. Das „Dritte Reich“ wünschte sich trotz aller Nöte und Enttäuschungen in der Nachkriegszeit kaum jemand zurück. Die in den Bombennächten entstandene Entfremdung zwischen der deutschen Bevölkerung und dem nationalsozialistischen Regime war von Dauer. Der demokratische Neuaufbau in Westdeutschland wurde dadurch erleichtert. Aber der Preis, den die Deutschen, nicht zuletzt die Hamburger und Hamburgerinnen, dafür hatten bezahlen müssen, war furchtbar hoch.


Dokumentationsfotos
Freitag, 09.08.2013  18:00 - 21:00h
Gefördert durch die Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirk Wandsbek
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