Infolge besonderer meteorologischer Bedingungen entwickelte sich in der zweiten Nacht in den dicht bebauten und besiedelten Arbeiterwohnvierteln von Hammerbrook, Hamm, Borgfelde und Umgebung innerhalb kurzer Zeit ein Feuersturm von orkanartiger Stärke, der Dächer durch die Luft wirbelte, Bäume abdrehte, Menschen zu Boden warf oder in das Zentrum der Flammen riß. Andere erstickten in den Luftschutzkellern oder starben infolge der Gluthitze.

34.000 Menschen fanden nach vorsichtiger Berechnung während dieser Angriffsserie den Tod; das waren 82% aller Hamburger Luftkriegsopfer. Schätzungsweise 125.000 Personen wurden verletzt. Rund 256.000 Wohnungen, mehr als die Hälfte des Bestandes vor der Katastrophe, waren völlig zerstört, weitere 22.000 zeitweise unbewohnbar. Etwa 900.000 Hamburger besaßen kein Obdach mehr. Zerstört oder schwer beschädigt wurden durch das „Unternehmen Gomorrha“ ferner 580 Industrie- und Rüstungsbetriebe, 2632 gewerbliche Betriebe, 379 Kontorhäuser, 24 Krankenhäuser, 277 Schulen, 257 Staats- und Parteidienststellen. Keines der schienengebundenen öffentlichen Verkehrsmittel funktionierte mehr; alle Bahnhöfe im Stadtgebiet waren verwüstet. Die gesamte Wasser-, Gas- und Stromversorgung fiel bis Mitte August aus. „Das utopisch anmutende Bild einer schnell verödenden Großstadt ohne Gas, Wasser, Licht und Verkehrsverbindungen, mit den Steinwüsten einst blühender Wohngebiete“ - so der Bericht des Polizeipräsidenten - „war Wirklichkeit geworden.“

Es liegt nahe, daß eine Katastrophe solchen Ausmaßes nicht nur das tägliche Leben der Betroffenen von Grund auf veränderte, sondern auch ihr Denken und Fühlen stark beeinflußte. Dies war tatsächlich der Fall, wie ich in fünf Thesen zusammenfassen will:


1. Die Katastrophe von 1943 hatte in Hamburg einen schwerwiegenden Autoritätsverlust der Behörden und der Staatsführung zur Folge.

Schon nach dem ersten großen Nachtangriff am 25. Juli 1943 flohen Zehntausende aus der Stadt, obwohl es verboten war, sie ohne besondere Genehmigung zu verlassen. Durch die Anordnung zur Evakuierung der Verletzten, der Frauen und Kinder versuchte der Reichsstadthalter nach der zweiten Nacht, der Feuersturmnacht vom 28.Juli, Einfluß auf die Bewegung zu
gewinnen, die nicht mehr zu stoppen war. Sein Appell: „Von den Männern fordere ich Einsicht in die Pflicht auszuharren, zu helfen und das Los der am schwersten Betroffenen zu lindern“, blieb jedoch unbeachtet. Auch Männer verließen in großer Zahl die Stadt, um sich mit ihren Familien in Sicherheit zu bringen. Selbst Beamte, Betriebsführer und sogar „Einsatzgruppenleiter“, die auch bei schwerstem persönlichen Bombenschaden auf dem Posten zu bleiben hatten, schlossen sich der allgemeinen Flucht an. Von den 232 Mann der Einsatzgruppe Wandsbek erschienen beispielsweise am 28.Juli nur 50 zum Dienst; von den 2.500 Beamten des Haupternährungsamtes waren zwei Wochen nach der Katastrophe nur 900 zur Stelle. Die Polizei hütete sich wohlweislich, sich der Massenflucht entgegenzustellen. Sie hatte Befehl, im Umgang mit der deutschen Bevölkerung nur helfend und behutsam lenkend einzugreifen. „Die Menschen wandern bis zur Erschöpfung. Erst dann sind sie abzufangen, zu verpflegen und durch Verkehrsmittel weiterzubefördern“, so lautete die Polizeitaktik. Durch bewußtes Nachgeben vermieden die Staatsorgane Konflikte.

Auch später, als sich die Reaktionen nicht mehr als „Panik“ erklären ließen, waren die Behörden außerstande, gegenüber den Bombenopfern ihren Willen durchzusetzen: Evakuierten Frauen und Kindern war es nun verboten, nach Hamburg zurückzukehren. Aber durch keine Maßnahme, weder durch die Sperrung von Lebensmittelkarten noch durch die Schließung von Schulen, gelang es, die Rückwanderung von Hunderttausenden zu verhindern.
Generell wurden Vorschriften, z.B. über die Verdunkelung, nach den Juli-Angriffen nur noch nachlässig beachtet. Der Hitler-Gruß kam deutlich seltener zur Anwendung. Mit ungewohnter Offenheit äußerten sich viele Hamburger auch vor fremden Ohren über die Lage, brachten Zweifel am siegreichen Ausgang des Krieges zum

Dokumentationsfotos
Freitag, 09.08.2013  18:00 - 21:00h
Gefördert durch die Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirk Wandsbek
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