STOFFWECHSELSTOFF

Ausstellung von Uwe Ochsler im Einstellungsraum, Hamburg

Statement zum Podiumsgespräch am 17.06.2004 von Ulla Lohmann


Stoffwechselprozesse in der Biologie stellen eine äußerst komplizierte Materie dar. Das erfahren viele Naturwissenschaftler leidvoll schon in den ersten Semestern ihres Studiums. Die ganze Komplexität dieser Thematik nun allgemein nachvollziehbar aufzubereiten und darüber hinaus noch Verbindungen zur Kunst herzustellen, das grenzt vollends an ein abenteuerliches Unterfangen.

Uwe Ochsler hat mit seiner Installation in dem kleinen Kunstort "Einstellungsraum" an der Wandsbeker Chaussee einige Fragen nach den Grundprinzipien des Lebens auf eine sehr einfache und dennoch anschauliche Weise beantwortet. Den ehemaligen Blumenladen mit einem bodentiefen Schaufenster und einer verglasten Eingangstür an der Straßenseite als einzige natürliche Lichtquelle, stattete er mit etwa einhundert, mit nährstoffreicher Erde gefüllten, gut bewässerten und gleichmäßig über die Wände verteilten Tontöpfchen aus. Jedes für sich, auf einer kleinen Holzkonsole ruhend, bildete für die Dauer der Ausstellung den Standort einer Gemüsepflanze oder eines Gartenkrauts. Am Tag der Vernissage hatten die kleinen Schösslinge gerade eben erst das Keimblattstadium erreicht und sahen sich überwiegend noch ziemlich ähnlich. Nun, nach sechs Wochen, zeigen sie aber ein auffallend differierendes Wachstum. Selbstverständlich unterscheidet sich Zucchini von Petersilie und Schnittlauch in der Blattstruktur und in der Größe. Den aufmerksamen Beobachtern entgehen aber bedeutsame weitere Details nicht. Pflanzen gleicher Art sind, trotz derselben übrigen Lebensbedingungen im hinteren Teil des Raumes kleiner, sind heller im Grün und haben einen in die Länge gezogenen, schwachen Spross. Die meisten Pflanzen in der Nähe des Fensters dagegen sind kräftig gewachsen und machen einen stabilen, gesunden Eindruck. Zufällig, aber beziehungsreich hängen unter den Töpfchen Textausschnitte aus Auto- und Motorzeitschriften wie: "Klima kostet extra" oder "Ein Rätsel gibt den Technikern zu denken". Was ist passiert? Die Biologie, die Lehre vom Leben, das Wissen von den Lebewesen, den Mikroorganismen also, den Pflanzen und den Tieren wird hier eindrucksvoll mit Anschauungsmaterial wie in einem Feldversuch demonstriert.

Die wesentlichsten naturwissenschaftlichen Kennzeichnungen des Lebens sind Individualität, organisch - chemische Zusammensetzung, Reproduktion und Populationsentwicklung sowie die Fähigkeit zur Modifikation und Evolution. Leben ist  eine individuelle Angelegenheit.
Es bedarf der räumlich bestimmten abgegrenzten äußeren Gestalt, eines inneren strukturierten Baugefüges und eines Stoff- und Energiewechsels.
Lebewesen haben eine von rein anorganischer, nicht belebter Materie sehr verschiedne Beschaffenheit. Sie enthalten im Wesentlichen komplexe Kohlenstoffverbindungen, Proteine und Lipide, aber auch anorganischen Substanzen, wie etwa das Wasser. Außerdem gibt es in geringer Menge noch Salze und Spurenelemente.
Biologisches Leben ist ein kontinuierlicher energetischer Prozess von chemisch – physikalischen Vorgängen. Anorganische Kristalle beharren in einer spezifischen Eigenstruktur. Lebendige Organismen dagegen sind offene Systeme und stehen mit ihrer Umgebung in einem permanenten Stoff- und Energieaustausch und in einem dynamischen Fließgleichgewicht. Sie reagieren auf äußere Einflüsse und sind in spezieller Weise anpassungsfähig. Die Entwicklung eines Individuums durchläuft verschiedene Stadien. Die bedeutendsten Stufen sind Wachstum, Fortpflanzung, Altern und Tod. Lebewesen erreichen je nach Art und äußeren Bedingungen ein definitives zeitliches Ende. Sie gehen entweder selbst in der Produktion neuer Individuen vollständig auf, oder sie gehen nach der Bildung von Nachkommen zu Grunde. So vollziehen sich kontinuierlich für die jeweilige Spezies Überleben und Arterhaltung. Störungen dieser Abläufe können durch natürliche und anthropogen induzierte Ereignisse ausgelöst werden, wie etwa durch Naturkatastrophen oder Auswirkungen von Technologien. Diese haben bisher jedoch keine absolut lebensvernichtenden Folgen gehabt. Die Grundmuster des biologischen Systems sind nach wie vor stabil und funktionieren immer noch.

Stoff- und Energiewechsel, Betriebsstoffwechsel und Baustoffwechsel finden in den Zellen statt. Dort werden stetig komplexe Verbindungen hoher potentieller Energie gebildet. Enzyme greifen als Katalysatoren in die Entwicklungsvorgänge ein, ohne selbst Bestandteil der Endprodukte zu werden. Sie bestimmen aber Richtung und Geschwindigkeit der Prozesse. Eine immer wiederkehrende strukturelle Ordnung ist erforderlich, um gleichmäßige und stetige Abläufe zu ermöglichen. Die Zellkerne, mit ihrer DNS und dem genetischen Code fungieren als Kontroll-, Steuerungs- und Informationszentren. Sie regeln Reproduktion und Wachstum. Tiere, aber auch die meisten Bakterien und Pilze, nutzen externe Energiepotenziale aus dem Abbau komplexer Moleküle von Kohlehydraten, Eiweiß und Fett. Die Energiezentren tierischer Organismen sind die Mitochondrien. Sie sind die Kraftwerke, die Energieproduzenten. In Zellen mit hoher Aktivität, wieetwa in solchen von Muskeln und Sinnesorganen oder in Nervenzellen treten sie vermehrt auf.

Der Hamburger Künstler Harald Finke hat in seinen Werken gelegentlich abstrahierte, halbmondähnliche Formen und Strukturen

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