In dem Video Written Apology haben wir es mit regelrechten Zeitschleifen zu tun. Ich beschreibe es zunächst einmal ohne Kenntnis der zitierten Spiele, die an sich schon einige Hinweise auf die Interpretation geben. Da wird der Bruder der Protagonistin für die Überprüfung einer Darstellung befragt, die zugleich als animierte Figur von ihm selbst in dem Video vorkommt. Im Narrativ aber wird immer deutlicher, dass der Bruder gar nicht mehr existiert und es daher um Schuldgefühle geht. Das bestätigt sich natürlich durch das Zitat eines Spiels auf dem Computer, vor die sich die animierte Figur setzt: Legacy of Kain: Soul Reaver. Schuldgefühle sind damit offensichtlich.

Nach Freud ist die Schuld und die damit einhergehenden Selbstvorwürfe ein Modus des Festhaltens an der geliebten Person, die man in die eigene Psyche integriert hat. Erst im melancholischen Rückzug auf sich selbst setzt der Ablösungsprozess ein, der ein Trennungs-prozess des Eigenen von dem anderen Geliebten ist. Die Frage steht dann im Raum, ob Bilder diesen Trennungsprozess als Rückzug von der Welt ermöglichen, oder ob sie doch nur das fortgesetzte Festhalten an den Vorwürfen und Schuldgefühlen favorisieren, indem die Präsenz der geliebten Person am besten reproduziert werden kann. Das Vergangene, der nicht mehr existierende geliebte Bruder, ist zugleich präsent, was nur in der Erinnerung des Gedanken-stroms möglich ist.


Das andere zitierte Spiel ist Sims 2, ein Spiel, das zu den meistverkauften gehört, in dem man Familie und eigenes Leben idealisieren kann. Das Festhalten an Bildern in den Spielen ermöglichen somit beides, das Festhalten an dem Dargestellten, das sich in dem Selbstvorwürfen der melancholisch repräsentierten Erzählerin zeigt, die damit die geliebte Person nicht aus der eigenen Psyche entlässt, wie den Rückzug auf sich selbst, der gerade das Loslassen ermöglicht. Das erscheint vor allem in der Doppelung von akustischem Sprechen und graphischer Schrift der Sprechblasen, die synchron verlaufen. Das ist zwar ein Zitat des Spiels, aber auch die Repräsentation der absoluten Synchronie von Loslassen und Festhalten zugleich. Stehen die Comiczitate für das Loslassen, so die Stimme für die Erhaltung des status quo.

Von Jacques Derrida wissen wir, dass wir in unserer Subjektivität gerade durch die Stimme gefangen sind, weil es das erste Vernehmen, das dem Subjekt sehr nahe Vernehmen ist, das gegen alle andere Formen der Objektivierung die subjektivste ist, die uns immer dazu verführt, Schrift als tot gegenüber der lebendigen Kommunikation abzulehnen. Lineare Zeit der Stimme steht also in diesem Video für die Vernichtung der Zeit und dem Verbleiben in einem status quo, der technisch veraltete statische Comic indes für den Fortschritt des Heraustretens aus der Bilderwelt. Beide überlagern sich in einer synchronen Bewegung. Es wird somit keine Antwort auf die Frage gegeben, auf welcher Seite die Bilder und Repräsentationen stehen. Wieder also die schizoide Struktur des Subjekts, die in der medialen Welt in einer Unentschiedenheit gehalten werden kann, damit sie sich selbst nicht erscheint, das aber die dissoziative Installation Heissenbergs zum Erscheinen bringt – diesmal aber in der Zeit der Repräsentation, die nicht die Repräsentation der Zeit ist.

Prof. Dr. Thomas Becker - 
Theorien der zeitgenössischen Kunst,
Kunst
Institut für Kunstwissenschaft der HBK Braunschweig




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