Die dissoziative Installationsnarrative von Lisa Heissenberg
30.09.2015

Es gibt Medientheoretiker, die behaupten ‚Story telling is the art of the new worldmaking.’ (Henry Jenkins). Schaut man sich die Videospiele an oder Werbefotographie, scheint dies nicht nur zuzutreffen. Es erklärt auch, dass unsere Geräte mit Text, Bild und Soundrepräsentationen keineswegs abnehmen, sondern zunehmen, je mehr die Digitalisierung fortschreitet, um all die unterschiedlichen Formen des Erzählens zu erfassen: das Filmische, das Schriftliche, das Ikonische, das Phonetische, das Polysemantische etc. im Homecomputer bis hin zum Tablet, zum Smartphone, dem 3D-Bildschirm etc. Die Geräte nehmen mit der digitalen Vernetzung zu und keineswegs etwa ab, obwohl doch der Computer alle anderen Medien simulieren und ersetzen kann. Nicht die Technik vernetzt, sondern die Lust am story telling, ein ästhetisches Begehren also?

Erzählungen gibt es aber schon in den Bildern der Höhle von Altamira vor 20.000 Jahren. Wie sollte dann Erzählung eine neue Art des World-makings sein? Und ist es also die Technik, die eine Vernetzung in Gang bringt? Inzwischen häuft sich auch innerhalb der Digitalisierung die Überalterung von Medien, wie z.B. der mp3-Player. Diese sind oft nicht mehr vernetzbar. Und wer hat überhaupt noch ein Diskettenlaufwerk? Obwohl also die Vernetzung der Medien durch den Computer zunimmt, trifft das auf seine eigene historische Entwicklung nicht zu. Lisa Heissenberg benutzt nicht nur Narrationen für ihre Medien wie in narrativen Computerspielen, sondern koppelt diese auch mit veralteter Technik, die zunächst als solche nicht auffallen mag. Ein alter mp3player, Comics, ein NintendoDS etc. Woher also die Vernetzung?

Es ist für Lisa Heissenberg nicht das Medium oder die Narrativität selbst, die jeweils vernetzen, sondern die doppelte Einschreibung von Medien in Körper und des Körper in die Medien. Ihre Installationen offenbaren sie in dieser Doppelung an Dissoziation und Einheit: Sie zeigen, dass der Sinn für die Differenz dieser Authentifizierungsstrategien in der Narration geweckt werden kann, also genau dort, wo wir die Aufmerksamkeit für die Differenz vergessen, wenn wir uns in Erzählungen verlieren. Das Sich-Verlieren in der Erzählung ist eine Lust, nicht der Disziplin zur
Kontrolle in einer gegebenen Welt zu unterliegen, sondern von ihr befreit zu sein, was übrigens erklärt, warum Fantasy-Filme, Comics und narrative Videospiele die höchsten Marktwerte erreichen. Sie werden daher von Heissenberg als Mittel ihrer Installationen genutzt, um die Dissoziation sichtbar werden zu lassen, die das Begehren nach Vernetzung antreibt.

Es stimmt zwar, dass wir keine Subjektivität haben, wenn wir nichts zu erzählen haben, aber keineswegs ist der Umkehrschluss zulässig: Jede Erzählung ziele auf Subjektivität. Bilder haben eine andere Narrativität als die Sprache und sie scheinen dem Körper im Raum näher zu stehen als die in der Zeit verfliegende Stimme. Sie scheinen in ihrer Gegenständlichkeit, mehr Realität einzunehmen als die Stimme, und doch misstrauen wir ihnen zusehends, weil sie inzwischen so schnell auftauchen und verschwinden wie die menschliche Stimme.

Stets geht es um eine sensible, eine existenzielle Grenze zwischen der Repräsentation des Raumes in der simulierenden Narration und dem Raum der Repräsentation, in dem der Körper mit dem Medium agiert. Beide sind Simulationen und zugleich Wahrheitstechniken für das Subjekt: Wo wir den Verdacht der Medialisierung und Simulierung des Raumes und Körpers haben, übersehen wir die aktive Einschreibung des Körpers in die Medien und wo wir den Körper als Widerstand gegen diese Einschreibung betrachten, übersehen wir, dass er immer schon von Medien mitcodiert ist. Narrativität ist das Mittel der Simulation der Simulation ebenso wie der Körper auch ohne Narrative schon immer seine Umgebung simuliert, so z.B. wenn wir im Dunkeln eine Stufe vorwegnehmen, die sich da gar nicht befindet. Am Übergang dieser dissoziativen Doppelung von Raum und Medien bewegen sich die narrativen Installationen von Lisa Heissenberg.

Narrative, wie sie Heissenberg für ihre künstlerischen Arbeiten benutzt, erinnern natürlich an Spiele und die mit ihnen zusammenhängenden Erzählungen. Diese sind aber keineswegs ein Mittel, um nur Welt zu erzeugen, oder wie Jean Baudrillard meint, die Welt zu simulieren. Sie sind Subjektivierungstechnologien, die eine polare Differenz in die Narrationen eintragen, die es in Mythen eben keineswegs schon gab. Das Imaginäre der modernen Medien ist kein Zustand der totalen Verblendung, sondern ist bestimmt vom einem akkumulierenden Begehren nach Subjektivität.

Vernissage
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