Auf der Schwelle -
Einführungsrede zu der Ausstellung PROSPEKT von Jann
Launer, EINSTELLUNGSRAUM e.V. Hamburg, März 2014 von Dr.
Thomas J. Piesbergen Der Titel der
Ausstellung Prospekt im Rahmen des
Jahresthemas Park & Ride im
EINSTELLUNGSRAUM e.V. weist zunächst in zwei
scheinbar deutlich voneinander getrennte Bezirke des
menschlichen Alltags:
Mit dem lateinischen Begriff Prospekt, der in wörtlicher Übersetzung „Ausblick“ oder „Blick voraus“ bedeutet, bezeichnet man heutzutage in der Regel Werbebro-schüren, vor allem die von Reiseveranstaltern, die einen „Blick voraus“ in den geplanten Urlaub gestatten. Andererseits gibt es den Begriff des Bühnenprospekts, der den gemalten Hinter- grund einer Theaterkulisse bezeichnet. Doch wie sind nun diese drei scheinbar disparaten Dinge zusammen zu führen? - Die Urlaubsindustrie - Das Theater - Der Begriff des Park & Ride Das Park
& Ride ist vor allem gekennzeichnet durch seine
Eigenschaft als Über- gang, als eine Schwelle. Solche
Übergänge und Schwellen sind in traditionellen
Stammeskulturen die Hot Spots der Generierung von
symbolischen Inhalten und Strukturen: Initiationsriten
bei der Mannwerdung, Hochzeiten, Heilungsriten,
Frucht-barkeitsrituale, Abspaltung von Teilen der
Dorfgemeinschaft etc.pp.
Der Ethnologe und Kulturtheoretiker Victor Turner hat ausgehend von der Forschung Arnold van Genneps drei Phasen in solchen Transitionsvorgängen aus- gemacht: Die Trennungsphase Die Schwellenphase Die Angliederungsphase In der Trennungsphase wird der Initiand seiner bisherigen sozialen Identität beraubt: Er verliert z.B. seinen Namen, wird geschminkt oder maskiert etc. |
In der
Schwellenphase befindet er sich in dem Zustand der
sog. Liminalität: ein unsicherer Zustand der in erster
Linie geprägt ist von Auflösung gesellschaftlicher
Symbolsysteme und Konventionen, von ludischen
Prozessen, Besitzlosigkeit, von Suche, Neuorientierung
und Reorganisation. Der Initiand besitzt in vielen
Fällen eine „Narrenfreiheit“, die ihm sogar sonst
sozial geächtete Übergriffe gestattet.
Durch die Auflösung von Hierarchien unter den Initianden ist diese liminale Phase geprägt von einem starken Erleben der „Communitas“, so z.B. bei Zimmerleuten auf der Walz. In der Angliederungsphase wird der Initiand schließlich mittels eines streng geordneten Rituals als transformiert wieder in die Gesellschaft aufgenommen, z.B. als Krieger, als heiratsfähige Frau, als „einheimisch“ gemeldeter Geselle, der nun seine Meisterprüfung machen darf etc. In jedem Fall spiegeln die Übergangsriten ein „soziales Drama“ wieder und haben meist Formen, die analog sind zu mythologischen Narrationen. In diesem stellvertretenden mythologisierten Nachvollzug sozialer Dramen und deren Lösung verortet Victor Turner den Ursprung des Theaters. Und tatsächlich ist in dem Ablauf der drei Phasen bereits das dramatischen Schema des Dreiakters und das Muster der „Heldenreise“ zu erkennen. Doch diese Strukturen haben sich auch in vielen anderen Formen erhalten und tradiert: Gerade in diesen Tagen erleben wir die Rudimente solcher Transitionsriten in Form der Fastnacht, die zwar nicht als liminal anzusprechen ist, doch wenigstens als liminoid: Geschützt durch Maskerade und Mummenschanz wird das Individuum von gesellschaftlichen Konventionen befreit und geht in einer enthemmten „Com- munitas“ auf, in der auf etlichen Ebenen experimentiert wird: im Zwischenmensch- lichen, wie in Ausnutzung der „Narrenfreiheit“ in Form politischer Kritik. Von dem Beispiel des Karneval als Rudiment des Übergangsritus ist es nur noch ein Schritt zu dem Phänomen des Urlaubmachens: Am offenkundigsten wird der Zusammenhang im Englischen: die Herleitung des Begriffes „Holidays“ von den „Holy Days“, also den heiligen, geweihten Tagen. Generell ist der Mensch in der sog. „Freizeit“ und im „Urlaub“, wie ursprünglich |
Die 02.
Ausstellung im Jahresprogramm Park&Ride
des EINSTELLUNGSRAUM e.V. |
Vernissage |
Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und Bezirk Wandsbek | |
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