Wirksamkeit von causa efficiens, causa materialis und causa formalis zu einem Ende kommen. Die Energie ist aufgebraucht, die materielle Transformation zu Ende gebracht und damit die dem Bauplan entsprechende Gestalt aufgelöst. Die Kunst-Batterie hat sich selbst entladen.

Zum zweiten fehlt ihnen die in der Zukunft liegende Zweckursache. Die Anordnungen sollen nichts hervorbringen, werden kein angestrebten Endzustand erreichen. Man könnte sagen, ihr Zweck ist reiner Selbstzweck, nämlich der Vollzug des gegenwärtigen, in ihnen angelegten Prozesses. Wir sind also darauf zurückgeworfen, uns mit dem Nachvollzug der Funktion und den ihr zugrunde liegenden, gegenwärtigen Wirkursachen auseinanderzusetzen, während unser Verstand versucht, diese sich öffnende, ungewohnt intensive Gegenwärtigkeit der Anschauung mit Projektionen möglicher aber unvorhersagbarer End-Szenarien der angestoßenen Transformationsprozesse zu füllen.
Das Kunstwerk zeigt sich nicht als überzeitliches Objekt, sondern als zeitlich begrenzter Prozess, dessen Komponenten nur durch ihr Zusammenwirken Relevanz erhalten. Die materielle Seite der Arbeiten ist also nur ein Vehikel, ein Repräsentant für die gegenwärtige Transformation, in die wir durch Anschauung eingebunden werden.

Schließlich werden wir mit der Dimension wahrgenommener Zeit konfrontiert: Wir wissen, es findet eine Transformation statt, doch können wir sie nicht akut beobachten, so wie man auch nicht die Bewegung des Stundenzeigers, ja nicht einmal die des Minutenzeigers einer Uhr tatsächlich beobachten kann, auch wenn wir wissen, das, was reglos erscheint, in unablässiger Wandlung begriffen ist. Trotz des scheinbar statischen Erscheinungsbildes der Installationen finden wir in ihnen eine Metapher des vorsokratischen „panta rhei“ -  alles fließt.

Es erinnert uns daran, daß auch auf die scheinbar statische Welt um uns herum ununterbrochen deformierende und transformierende Kräfte einwirken, daß wir umgeben sind von Mechanismen und Wirkpotenzialen, die nicht dem vordergründigen, teleologischen Zweckdenken des Menschen untergeordnet sind, die aber dennoch unsere Welt umbemerkt und unentwegt bewegen und verändern, die wir erst wahrnehmen können, wenn wir uns auf eine geduldige Beobachtung der Wirkursachen einlassen, anstatt stets nur die Zweckmäßigkeit der Dinge zu projizieren.

In diesem Sinne kann man nicht nur das Material „Wachs“ als Inbegriff der nahezu unbegrenzten Formbarkeit bei gleichzeitig fester Erscheinung begreifen; auch ein Schlauch, der sich aus dem Kriechkeller des Einstellungsraums windet um gleich wieder darin zu verschwinden, kann als metaphorischer Verweis auf das durch ausgreifende Zeiträume verdeckte Wirken kinetischer Bewegung gelesen werden. Die signalrote Flüssigkeit, die unsere Aufmerksamkeit fordert, scheint vor unserem Auge solange zu ruhen, bis plötzlich eine Luftblase durch sie hindurch gleitet und uns ihr sonst unsichtbares Fließen enthüllt.

Ein vordergründig nutz- und zweckloses Fließen zwar, das aber durch den gedanklichen und rezeptiven Zusammenhang, in dem es sich zeigt, und durch die Sensibilisierung, die es uns abfordert, zwar nutz- und zwecklos, jedoch nicht sinnlos ist.




by Thomas J. Piesbergen / VGWort, Oktober 2016



Vernissage
Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, Bezirk Wandsbek und VG-Bildkunst, Bonn
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